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Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Titel: Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ida Ding
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Gedanken nicht wohl ist, meine Frau ist schließlich die Kommissarin. Ich sollte mich und will mich auch nicht einmischen. Von Schaf zu Schaf habe ich das Gefühl, mein Hirn leert sich, als würde ein frischer Wind den verpappten, alten Schmarrn fortblasen. Vom dichten Rastavorhang befreit, rennt Locke, das Walliserschaf, erst einmal um den Stall, bis sie mit lautem Mähen zu den anderen trabt. Die Welt ist anscheinend doch nicht nur dunkel und voller Pfosten.
    Als Letztes schere ich die Zwiebi, die frischgebackene Mama. Anschließend helfe ihr auf und führe sie zu ihren Lämmern retour. Die Drillinge erkennen ihre Mama nicht gleich. Schrille Schreie, dumpfe Antworten, Dauerlauf zwischen den Raufen. Aber nach einiger Mäh-Korrespondenz und gegenseitigem Beschnuppern stürzen sich die beiden stärkeren, Schoko und Vanilla, ans Euter, hängen sich an die zwei Zitzen und zuzeln, als wären sie am Verhungern. Muh, das dritte Lamm, geht leer aus. Ich melke die Ziegen und gebe Muh Milch aus einer Glasflasche, über die ich einen Nuckel gestülpt habe. Milch haben wir im Überfluss, jetzt wo die Kundschaft ausbleibt. Wenn Sophie heute Abend kommt, schlage ich ihr vor, dass wir ein Team bilden, ich kenn die Leute hier, und sie hat die Autorität, dass sie wen verhaften kann. Meine Frau nimmt mich wenigstens so, wie ich bin, mit schmutzigen Finger- und Zehennägeln. Bei meiner Arbeit kriegt man die nun mal. Und Sophie ist auch die Einzige, mit der ich unverstellt reden kann, kein gezwungenes Hochdeutsch, bei dem nicht mal ich selbst mich richtig verstehe.
    Wie ich Muh in den Stall zurückbringe, stolpere ich über die Mistgabel, die irgendwer, wahrscheinlich ich, saudumm da hingelegt hat. Ich fange mich noch halbwegs an der Holzwand ab, bevor es mich niederstreckt, aber den Stiel haut es mir dermaßen gegen die Schneidezähne, dass ich das Singen anfange. Blut läuft mir aus dem Mund, aber meine Beißer sind noch drin, nur etwas gelockert. Als ich mit dem Fluchen fertig bin, ramme ich die mistige Gabel in ein Heubüschel. Fünf Zinken, fünf Spieße, klar, dass ich mich gleich an den Wickerl erinnere. Mir fehlt eine Ordnung, eine Struktur muss her. Nein, nicht hier am Hof, das geht so halbwegs. Das übrige Dilemma, den Wickerlmord müsste ich samt den ganzen Pöckingern mal von oben betrachten können, damit ich eine Übersicht kriege. Angenommen, das Heubüschel hier wäre der ermordete Wickerl. Ich schiebe es mit der Mistgabel auf die Wiese unterm Kirschbaum. Der Wickerl in seiner Bude, um ihn dreht sich alles, oder besser, er war der Anfang, der Auslöser, dass am Ende einer wie ich des Mordes verdächtigt wird, sogar schriftlich an der Hauswand. Bevor ich mit Zetteln anfange und mich weiter verzettle, probiere ich was, was mir mehr liegt als Schreiben. In der ersten Klasse hatte ich zwar ein Sternchen in Schönschrift, aber das war’s dann auch. Damals hab ich mich total leer geschrieben, fast die Klupperl sind mir abgebrochen, nur um auf der Zeile zu bleiben. Die weiteren Schreibhausaufgaben, Aufsätze und so Zeug, hat der Martin für mich verfasst, dem liegt das Romaneschreiben. Als der sieben Jahre Ältere hat er mich auch meist ins Bett gebracht und mir Gutenachtgeschichten vorgelesen. Ganze Bücher, seine Karl-May-Sammlung, eins nach dem anderen. Weil er mir die lästige Schreiberei abgenommen hat, hab ich ihm dafür die Facharbeit konstruiert und gebaut. Einen Regenwarnmelder. Von den Polen einer Blockbatterie sind je ein Kabel rechts und links zu einem Wäscheklupperl gelaufen. Dazwischen war ein Löschpapier eingeklemmt. Regnete es aufs Papier, riss es, die Wäscheklupperl wurden durch die Feder zurückgezogen, und eine kleine Fahrradlampenbirne leuchtete auf. Das war mein erster Stromkreis (der zweite und letzte bisher war dann sehr schmerzhaft: Er hat anstatt der Lampe mich zum Leuchten gebracht). Kurz, mir liegt mehr das Handfeste. Ich stelle mir die Leute eher als Gegenstände vor. Also lege ich den Handbesen, einen Blechkübel, Spielzeug aus Emmas Sandkasten, den Apfelpflücker, bei dem der Beutel längst gestopft gehört, die Nuckelflasche, ein Stück abgerissenes Lederhalsband, eine Ziegenglocke und was sonst noch so herumliegt zum Heubüschel dazu.
    Oje, das wird nicht leicht, aber schwer ist leicht was. Am besten der Reihe nach. Ich fange mit dem Seniorenverein an, sie waren als Erstes vor Ort, das macht sie zwar nicht gleich zu Verdächtigen, aber ich muss mir erst mal einen Überblick verschaffen.

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