Hengstgeflüster (German Edition)

sie ekelhaft.
    „Ich hab´ keine Geduld für deine Spielchen, also raus mit der Sprache“, befahl er und seine Nackenhaare sträubten sich.
    „Schöne Grüße von Pearlie“, flötete sie hinterlistig, „hier ist ein Antrag von ihrem Anwalt Heath Gossipp. Pearlie wird Loris Sorgerecht beantragen…“, tat sie, als überbrächte sie ihm eine freudige Nachricht.
    Natalia und Bell stöhnten entsetzt auf. Bells Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie fasste nach hinten und legte ihre Hand auf Chris Arm, der vor unterdrücktem Zorn bebte.
    „Nur über meine Leiche“, zischte er Karlee zu.
    „Chris…“, begann Bell.
    „Komm, wir gehen.“ Er packte Bells Hand und verließ fluchtartig den Schauplatz. Loris Großmutter starrte ihnen mit zusammengekniffenen Augen hinterher.

9. Kapitel
     
    Karlee Karsson war bereits im zarten Alter von fünfzehn von Zuhause weggerannt. Seit sie denken konnte, wurde sie von ihrer dominanten, erfolgssüchtigen Mutter von einem Schönheits- und Talentwettbewerb zum nächsten geschleppt. Sie zog mit ihr von einem Staat zum anderen und musste singen und tanzen. Hatte sie einmal keine Lust dazu, wurde sie von ihrer Mutter regelrecht dorthin geprügelt. Im Alter von zehn wusste sie manchmal nicht, wo sie sich gerade befand. Sie wohnte in Hotels und ihre Mutter gebar sich wie eine Königin, indem sie sich mit Karlees Erfolg krönte. Das kleine Mädchen trällerte mit engelsgleicher Stimme, steppte und warf mit Stäbchen, sie spielte Klarinette und thronte auf Pferden, obwohl sie seit jeher eine furchtbare Angst vor diesen Tieren hatte. Mit dreizehn hatte das Mädchen bereits ihr erstes Baby abgetrieben, mit vierzehn war sie das erste Mal heroinabhängig. Mit fünfzehn hatte sie die Schnauze voll und ließ ihre Mutter im Hilton Plaza in Los Angeles sitzen.
    Es reichte ihr.
    Ab diesem Zeitpunkt geriet sie so richtig auf Abwege, da sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit kein Geld hatte. Dummerweise wurde es von ihrer Mutter verwaltet. Es war Karlee egal. Sie verdiente ein paar Mäuse in lausigen Clubs, in denen sie gelegentlich auftrat. Dort sang sie … oder strippte. Sie verkaufte ihren Körper, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Ihr Ehrgefühl hatte sie bereits als blutjunges Ding verloren und die Not trieb sie zu solch unwürdigen Aktionen. Ja, sie war jung und naiv und geriet so oft auf Abwege, dass sie sich im Nachhinein fragte, wie es ihr gelang, jedes Mal wieder halbwegs heil ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
    Das Schicksal hatte schließlich anderes mit ihr vor. Als verzweifelte Siebzehnjährige sang sie Abend für Abend in einem fragwürdigen Etablissement. Es war der beste Job, den sie jemals hatte. Er war schlecht bezahlt, doch niemand verlangte von ihr, ihren Körper zu verkaufen. Nur ihre außergewöhnliche, sinnliche Stimme. Sie sang herzergreifende Balladen und imitierte große Künstler. Eines Tages kam Karl Heller, der berüchtigte Plattenproduzent aus Los Angeles in diesen Club, um dort zu feiern. Sie hatte natürlich nicht gewusst, wer er war. Er verliebte sich sofort in ihre Stimme und nahm sie vom Fleck weg unter Vertrag. Da begann ihr neues, altes Leben, voll mit Ehemännern, Drogen, Sex und Alkohol.
    Karlee sang ergreifende Country Balladen auf Bühnen quer durch ganz Amerika und sie lebte das ausschweifende, überschwängliche Leben einer Legende. Dann lernte sie Dexter Fly kennen und ihr bis dato gleichmütiges Dasein änderte sich schlagartig. Ohne Vorwarnung und ohne Kompromisse. Sie, die egoistische, selbstsüchtige Karlee Karsson verliebte sich Hals über Kopf und warf ihre gesamte Karriere über den Haufen – für einen Mann.
    Sie legte ihr Leben in seine Hände, vertraute ihm blind und fühlte sich durch ihn wie ein besserer Mensch. Das Resultat ihrer Liebe hieß Pearlie Karsson-Fly, ein bezaubernd aussehendes Mädchen mit denselben überschwänglichen Starallüren ihrer Mutter Karlee. Die Geltungssucht schien in ihren Genen zu liegen. Jener Egoismus, den Karlee in der Ehe mit Dexter nach allen Maßen unterdrückte.
    Bis Dexter neun Jahre nach ihrer Heirat an Krebs erkrankte und nach einem schmerzvollen Todeskampf verstarb. Karlee hielt bis zur letzten Sekunde seine Hand und war danach ein gebrochener Mensch.
    Ein schier endloser Abgrund tat sich auf, sie verfiel wiederum den Drogen und tröstete sich mit unzähligen Männern, von denen sie oft nicht einmal die Namen wusste. Vor allem aber vernachlässigte sie ihre damals vierjährige Tochter Pearlie