Henkerin
konnte sie ihm allzu viele Schmerzen ersparen. Andererseits schien der Mann stur zu sein. Und wenn er darauf beharrte, dass er unschuldig war, würde es ein langer, mühsamer Nachmittag werden. Denn anders als bei der peinlichen Befragung während eines Inquisitionstribunals gab es in einem solchen Fall keinerlei Beschränkung. Melchior würde den Karcher so lange bearbeiten müssen, bis er gestand.
Sie trat auf den Thron zu und bedeutete den Richtern, dass sie bereit war.
Sempach baute sich vor dem Karcher auf. »Wendel Füger, Sohn des Erhard Füger, Karcher und Weinhändler aus Reutlingen, gesteht Ihr, den Benedikt Rengert, Sohn des Weinhändlers Jobst Rengert aus Esslingen, heimtückisch mit einem Messer ermordet und seinen Leichnam mit einem Dutzend Messerstichen entwürdigt zu haben? Bekennt Euch zu Eurer schändlichen Bluttat, und Euch bleibt die Prozedur der peinlichen Befragung erspart!«
Der Schreiber ließ hastig die Feder über das Pergament gleiten. Der Karcher sah verängstigt von einem zum anderen. An Melchior blieb sein Blick hängen. »Ich war es nicht«, sagte er. »Ich habe niemanden ermordet. Man hat mir das Messer entwendet, bereits drei Tage vor der Tat, auf der Adlerburg bei dem Fest anlässlich der Brautschau, die Graf Ottmar de Bruce veranstaltet hat.«
»Ha!«, stieß Sempach hervor. »Wollt Ihr uns etwa mit dem Namen de Bruce Angst einjagen? Wollt Ihr uns zeigen, was für mächtige Freunde Ihr habt? Das wissen wir bereits, doch es wird Euch nichts nutzen!«
Melisande fuhr der Schreck in die Glieder. Dieser Mann war tatsächlich ein Freund von Ottmar de Bruce? Er war so ganz anders als die Männer, mit denen sich der Graf sonst zu umgeben pflegte. Sicherlich, er war bei der seltsamen Übungsstunde im Wald zugegen gewesen, doch bei dieser Gelegenheit war es ihr so vorgekommen, als hätte der mächtige Graf den tollpatschigen Weinhändler vorführen wollen.
Auch Wendel Füger schien überrascht. »Der Graf zählt nicht zu meinen Freunden«, erklärte er eilig. »Er ist lediglich ein guter Kunde. Ich hatte zufällig am Tag vor dem Fest eine Lieferung zu überbringen, das ist alles.« Er schien noch etwas sagen zu wollen, es sich dann aber anders zu überlegen.
»Und was ist mit dem anderen –«, begann Sempach, doch ein warnender Blick des Kürschners ließ ihn abbrechen. »Ihr gesteht also Eure Bluttat nicht?«, fragte er stattdessen.
»Ich habe niemanden ermordet.« Wendel richtete seine Antwort wieder an Melisande. Der entging sein flehender Blick nicht. Doch sie konnte ihm nicht helfen und schlug die Augen nieder.
»Nun denn«, sagte Sempach. »Zeig ihm, was ihn erwartet, Melchior!«
Nacheinander führte Melisande dem Karcher vor, was er zu erleiden haben würde, wenn er nicht gestand. Sie zeigte ihm die Daumenschrauben, die Fußschrauben, die glühende Zange, die gedornte Halskrause, die Kopfzwinge, den Geißelungsgürtel und zuletzt den Rattenhelm. Bereits beim Anblick der Halskrause begann der Mann, heftig zu zittern, und Melisande hoffte, er würde gestehen, bevor eine ihrer Gerätschaften zum Einsatz kam.
»Bekennt Ihr Euch jetzt zu Eurer Tat?«, fragte Sempach schließlich.
Wendel zitterte, doch seine Lippen blieben verschlossen.
»Vielleicht ist er zu verschreckt, um zu antworten«, sagte Karl Schedel. »Gib ihm etwas zur Beruhigung, Melchior!«
Rasch nahm Melisande eine kleine Phiole aus ihrer Tasche. Der Trank würde den Karcher nicht nur beruhigen, sondern auch die Schmerzen ein wenig betäuben. Melisande hoffte, dass sie die richtige Dosis gewählt hatte. Falls Wendel zu wenig litt, würde das den Richtern sicherlich auffallen.
Sie trat auf den Gefangenen zu und flößte ihm ein paar Tropfen in den Mund. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis Wendel sich beruhigte. Das Zittern ließ nach, sein Blick trübte sich ein wenig.
Sempach stellte sich dicht vor ihn. »Und? Gesteht Ihr?«
Wendel Füger sah zu ihm auf und schüttelte den Kopf. »Ich habe niemanden getötet.«
Sempach fuhr herum. Seine Augen waren schmal. »Dann walte deines Amtes, Melchior.«
Melisande beschloss, mit den Daumenschrauben zu beginnen. Sie waren äußerst schmerzhaft, brachten der Hand aber keine ernsthaften Verletzungen bei. Zumindest zu Anfang.
Trotz der Tropfen, die Melisande ihm verabreicht hatte, schrie Wendel gellend, als sie die Schraube immer fester anzog. Der Daumen wurde nur gequetscht, die Haut nicht verletzt, kein Tropfen Blut floss. Der Karcher jammerte, schrie und fluchte,
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