Henkerin
kümmern wir uns um Melchior und fühlen ihm auf den Zahn.« Er seufzte. »Ich für meinen Teil möchte sagen, dass ich es sehr bedauern würde, auf seine Dienste verzichten zu müssen. Aber wenn an den Vorwürfen gegen ihn etwas dran ist, werden wir ihn gemäß der Gesetze bestrafen.«
Remser griff nach dem Tuch und wischte sich über die Stirn. »Konrad!«, rief er in Sempachs Richtung. »Kümmert Ihr Euch bitte darum, dass der Karcher unverzüglich weiter befragt wird? Dem Achalmer Boten werde ich mitteilen lassen, dass er seine Antwort am Nachmittag bekommt. Bis dahin wird Melchior das Geständnis wohl aus ihm herausgekitzelt haben. Nehmt Langkoop mit und –«
Karl Schedel hob den Arm. »Ich würde gern dabei sein, Schultheiß, wenn es Euch recht ist.«
Johann Remser musterte den Kürschnermeister, dann nickte er. »Also gut. Sempach, Langkoop und Schedel kümmern sich um das Geständnis des Reutlingers. Sorgt dafür, dass es schnell geht, aber haltet Euch streng an die Vorschriften! Ich möchte Ulrich auf gar keinen Fall die Gelegenheit bieten, uns Unregelmäßigkeiten nachzuweisen.«
»Keine Sorge, es wird alles ordnungsgemäß vonstattengehen«, versicherte Schedel, nachdem er rasch zu Langkoop und Sempach geblickt hatte.
Konrad Sempach nickte und wandte sich ab. Keiner der Anwesenden sollte merken, wie wütend er war. So sehr hatte er sich auf das kleine Nebengeschäft gefreut, das er mit dem Henker hatte aufziehen wollen. Er hatte sogar bereits einen Kreis von Interessenten zusammen, die bereit waren, für ein paar unschuldige Metzen tief in den Beutel zu greifen, sehr tief sogar. Und nun sah es so aus, als hätte sich die Schlinge um den Hals seines Geschäftspartners unwiederbringlich zugezogen.
***
Der Ruf des Büttels erreichte Melisande, als sie ihr Bündel bereits gepackt und an einem sicheren Ort versteckt hatte. Sie trat vor die Tür, hob das Gesicht zum Himmel. Die Sonne strahlte herab. Zögernd folgte sie dem Mann über den Marktplatz. Händler boten lautstark ihre Waren feil, ein Krämer pries ein neues Wunderheilmittel, das angeblich sogar ewige Jugend verlieh, jemand schimpfte wie ein Rohrspatz, weil ein Beutelschneider ihm im Gewühl die Geldkatze geraubt hatte. Über allem hing der süße Geruch von überreifem Obst, vermischt mit dem beißenden Gestank, den der kleine Bachlauf verbreitete, der über den Marktplatz bis hinunter zum Fischmarkt floss.
Sowie die Menschen den Henker erblickten, veränderte sich die Stimmung. Neugierig und furchtsam zugleich glotzten sie ihm hinterher. Mütter zogen ihre Kinder enger zu sich, ein tollkühner junger Bursche spuckte Melchior vor die Füße, suchte aber sogleich sein Heil in der Flucht, als sich Melisande in seine Richtung wandte. Sie schwitzte unter ihrer bunten Henkerstracht, nicht wegen der Hitze, sondern aus Sorge. Ihr Plan konnte nur glücken, wenn der Karcher durch die Folter nicht allzu arg verletzt wurde.
Beim Anblick der drei Männer, die am Schelkopfstor auf sie warteten, sank ihr der Mut. Mit Konrad Sempach und Henner Langkoop hatte sie gerechnet. Doch Karl Schedel war noch nie bei einer peinlichen Befragung zugegen gewesen. Es hieß, der Kürschnermeister halte nicht viel von dem blutigen Handwerk des Henkers. Was hatte seine Anwesenheit zu bedeuten? Hatte sich der Karcher etwa auch das Leben genommen?
Melisande hätte sich am liebsten umgedreht und wäre davongerannt. Doch Gott hatte entschieden, was sie zu tun hatte, und genutzt hätte ihr die Flucht auch nichts. Also neigte sie ehrerbietig das Haupt, um die drei Richter und Ratsherren zu grüßen, die sie, wie es ihr schien, misstrauisch beäugten. Rasch warf sie Sempach einen fragenden Seitenblick zu, doch der hatte sich bereits abgewandt und schritt in Richtung Tür.
Im Inneren des Schelkopfstores war es angenehm kühl und still. Wendel Füger saß bereits angeschnallt auf dem Thron, und Melisande stellte erleichtert fest, dass er unversehrt zu sein schien. Allerdings hatte er sich über Nacht so sehr verändert, dass sie ihn beinahe nicht wiedererkannt hätte. Sein Gesicht war fahl und eingefallen, das Haar filzig, die Augen, umgeben von dunklen Ringen, blickten gehetzt wie eine von Jägern umstellte Beute.
Henner Langkoop bedeutete Melisande, näher zu treten. »Wir brauchen ein Geständnis«, sagte er leise. »Und zwar schnell. Und das Ganze nach den Buchstaben des Gesetzes. Verstanden?«
Melisande nickte rasch und blickte den Karcher an. Wenn sie geschickt vorging,
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