Henkerin
erreicht hatte. »Bitte verzeiht, dass ich Euch so kurzfristig zusammengerufen habe, doch die Angelegenheit drängt, wie Ihr wisst. Sicherlich habt Ihr vernommen, dass Benedikt Rengert, Sohn des ehrenwerten ...« Remser hustete, sein Kopf wurde rot, doch er fuhr sogleich fort. »... ehrenwerten Weinhändlers Jobst Rengert, heimtückisch ermordet wurde. Glücklicherweise hat der Mörder sein Messer bei der Leiche verloren, sodass wir ihn gleich festsetzen konnten.«
Remser hielt inne, schnappte nach Luft und trat an seinen Platz, jedoch ohne sich zu setzen. »Nun zu unserem Problem. Der Mörder, ein gewisser Wendel Füger, ist ein Reutlinger Karcher und Weinhändler aus einer sehr angesehenen Familie.« Er schüttelte den Kopf. »Nichts bleibt einem erspart.«
Ein Diener reichte ihm einen Kelch, er nahm ihn mit einem kurzen Nicken, trank und seufzte erleichtert.
»Soeben ist ein Bote der Vogtei Achalm eingetroffen«, fuhr er fort. »Wie Ihr wisst, hat der Kaiser erst in diesem Jahr, kaum dass er frisch gekrönt aus Italien zurückkehrte, unserem Erzfeind, dem Grafen Ulrich von Württemberg, die Pfandschaft der Achalm bestätigt. Das bedeutet, dass Ulrich als Vogt in Reutlingen die Gerichtsbarkeit innehat.«
Er machte eine Pause, legte seine Hände auf die Stuhllehne und musterte einen nach dem anderen. Den meisten war klar, was das hieß. »Wie einige von Euch sogleich erkannt haben, lässt Ulrich diese Gelegenheit, sich in unsere Belange einzumischen, nicht untätig verstreichen.« Seine Faust fuhr durch die Luft. »Er verlangt, unverzüglich darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, was gegen diesen Füger vorliegt.«
Die Männer, die bisher schweigend gelauscht hatten, redeten plötzlich alle durcheinander. »Unverschämtheit!«, ertönte es. »Was bildet der Graf sich ein? Haben wir denn nie Ruhe vor dem dreisten Württemberger?«
»Ruhe!« Der Schultheiß klatschte in die Hände. »Ich teile Eure Empörung, aber dennoch: immer der Reihe nach, wenn ich bitten darf!«
Er zog den Stuhl zurück, ließ sich erschöpft darauf sinken und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Einige der Ratsherren taten es ihm gleich und nahmen ebenfalls auf ihren Stühlen Platz, ergriffen die bereitgestellten Weinbecher und stärkten sich.
Gerold von Türkheim blieb stehen. »Meine Herren«, begann er, und seine Stimme füllte den Raum mit Leichtigkeit. »Ich denke, wir sind uns einig, dass wir uns von einem Württembergischen Grafen und Landvogt nicht in unsere Gerichtsbarkeit hereinreden lassen. Esslingen ist eine freie Reichsstadt, der Graf hat uns nichts vorzuschreiben.«
Das zustimmende Gemurmel verstummte, als er beschwichtigend die Hand hob. »Ich bin noch nicht fertig!«, rief er. »Obwohl ich das Ansinnen des Grafen ebenso ungeheuerlich finde wie Ihr, bin ich dennoch der Ansicht, wir sollten klug darauf erwidern und nicht wie jugendliche Hitzköpfe. Wozu einen Streit vom Zaun brechen, der niemandem etwas nützt? Wir wollen doch nicht, dass durch so eine dumme Angelegenheit erneut Krieg und Elend über unsere Stadt hereinbrechen, jetzt, wo gerade einmal Frieden herrscht und die Geschäfte blendend laufen.« Er hielt inne, um seine Worte wirken zu lassen.
Niemand sprach, alle starrten ihn an.
»Es wäre daher von Vorteil, so meine ich«, er verneigte sich kaum merklich, »wenn wir den Boten mit einer Nachricht zurückschicken könnten, die, sagen wir, so überzeugend ist, dass Graf Ulrich keinerlei weitere Einwände vorbringt.«
»Und wie sollte diese Botschaft aussehen?«, fragte Karl Schedel mit zusammengezogenen Brauen.
»Sie wird das Geständnis des Karchers enthalten«, erwiderte von Türkheim lächelnd. »Dagegen wird wohl kaum jemand Einspruch erheben.«
Schultheiß Remser nickte zustimmend und wedelte mit seinem Schweißtuch. »Sehr gut gedacht, Türkheim. Ihr seid ein wahrhaft schlauer Fuchs.« Er faltete das Tuch, legte es vor sich auf den Tisch und strich es glatt. »An dieser Stelle kommt also unser geschätzter Melchior ins Spiel. Bei seinem Geschick wird das Geständnis sicherlich nicht lange auf sich warten lassen.«
Vereinzelte zustimmende Rufe wurden laut.
Doch dann erhob Waldemar Guirrili die Stimme. »Seid Ihr sicher, dass Ihr Euch auf den Henker verlassen könnt? Diesen gottverdammten Burschen erwartet doch selbst ein Prozess. Hat er nicht gerade erst die schamlose Metze krepieren lassen?«
»Guirrili, mäßigt Eure Zunge«, gab Schedel zurück. »Auch Ihr solltet wissen, dass
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