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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Er darf auf keinen Fall unter der Befragung ernsthaft verletzt werden.«
    »Und was ist mit dem Boten?«
    Sempach hatte sichtlich Mühe, sich zu beherrschen und Schedel nicht wie eine lästige Fliege zur Seite zu wischen.
    Schedel winkte ab. »Den beschäftigen wir schon irgendwie. Esslingen ist doch eine gastfreundliche Stadt, oder? Kümmert Euch um ihn, sorgt dafür, dass er einen unvergesslichen Abend erlebt. Morgen wird er mit seiner Antwort zurück zur Achalm reiten können.«
    Langkoop zuckte mit den Schultern. »Auf Eure Verantwortung, Meister Karl«, murmelte er und machte sich davon.
    Der Kürschner ließ ihn ziehen und wandte sich an Melisande. »Versorg ihn gut, und lass ihn dann von dem Büttel in das kleine Verlies nebenan einsperren. Er soll nicht zurück zu den anderen in den Kerker. Ich werde persönlich heute Abend noch einmal nach ihm sehen. Dann möchte ich, dass alles in Ordnung ist.« Er sah Sempach an, der mit zusammengekniffenen Lippen neben ihm stand. »Einwände?«
    Sempach verzog das Gesicht. »Der Schultheiß wird nicht begeistert sein, das wisst Ihr.«
    »Wir können ihn in dem Zustand nicht weiter befragen. Ich werde Remser davon in Kenntnis setzen, was vorgefallen ist. Und Ihr seid mein Zeuge.«
    »Schon gut«, erwiderte Sempach, der alles andere als angetan schien. »Aber wenn der Kerl das noch einmal macht, müssen wir zu anderen Mitteln greifen.«
    Die zwei verließen gemeinsam mit dem Schreiber den Keller, allerdings nicht, ohne Melchior noch einmal einen warnenden Blick zuzuwerfen. Melisande atmete tief durch. »Herr im Himmel, hab Dank für deine unendliche Güte!«, sprach sie in Gedanken. Um ein Haar wäre ihr Plan fehlgeschlagen, jetzt aber schöpfte sie Hoffnung.
    Die Geräusche der Nacht hatten das Regiment übernommen. In den Ecken raschelte es, eine Katze fauchte, vom Oberen Tor her ertönte der Ruf des Nachtwächters. Ab und an drang gedämpftes Gemurmel aus einem der Häuser. Ansonsten herrschte Stille. Es war Juni, die Nächte waren kurz, und Melisande musste sich sputen.
    Auch im Wohnturm des Braumeisters war alles finster. Glücklicherweise wusste Melisande, hinter welcher Fensterluke Henrich schlief. Sie hatte ein paar winzige Kiesel mitgebracht, die sie nun einen nach dem anderen gegen den Laden warf. Hoffentlich hatte Meister Henrich einen leichten Schlaf und erwachte, bevor einer der Nachbarn oder seine misstrauische Gattin das Scheppern hörte!
    Melisande hielt nur noch einen der kleinen weißen Kiesel in der Hand, als sie von oben endlich ein Scharren hörte. Kurz darauf erschien das Gesicht des Brauers am Fenster. »Gütiger Himmel, Melchior!«, wisperte der Mann.
    Wenige Augenblicke später öffnete er leise die Haustür. Schweigend ging er voran in die Stube im ersten Stock, wo er zwei Talglichter entzündete und zwei Becher Wein einschenkte. Wortlos reichte er Melisande einen. Sie nippte, dann zeigte sie dem Brauer die Wachstafel mit dem vorbereiteten Text.
    Er las schweigend, die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt. »Du willst uns also verlassen, Melchior«, sagte er schließlich.
    Melisande nickte. Sie hatte lange mit sich gerungen, ob sie den Braumeister in ihren Plan einweihen sollte. Einerseits brachte es ihn und sie selbst unnötig in Gefahr, andererseits wollte sie nicht von ihm scheiden, ohne sich zu verabschieden. Meister Henrich war ihr und Raimund in den letzten Jahren der einzige Freund gewesen.
    »Meinst du nicht, die Angelegenheit würde auch so wieder in Ordnung kommen?«, fragte Henrich. »Jedem Tölpel muss doch klar sein, dass du keine Schuld am Tod des Mädchens trägst.«
    Melisande schüttelte den Kopf. Sie hatte ihm von Agnes geschrieben, von dem Prozess, den man ihr machen wollte. Doch sie hatte weder den Karcher erwähnt noch Sempachs Versuch, sie zu erpressen. Und von ihren Befürchtungen, dass man im Kerker ihr wahres Geschlecht entdecken würde, hatte sie ihm natürlich auch nichts berichten können.
    »Wo willst du denn hin?«, wollte Henrich wissen.
    Melisande zuckte mit den Schultern und deutete mit einer Handbewegung an, dass alles besser sei, als in Esslingen auf den ungewissen Ausgang des Prozesses zu warten.
    Meister Henrich nickte bedächtig. Dann stand er auf und verließ den Raum. Melisande sah unruhig hin und her. Hatte sie den Mann falsch eingeschätzt? War er doch gesetzestreuer, als sie angenommen hatte, und rief nach dem Büttel? Gerade wollte sie aufspringen, als Henrich zurück in die Stube trat.
    »Keine Sorge«,

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