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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Kerls zu tun hast. Alle meinen, du seiest zu schlau, um einfach dein Messer bei dem Toten liegen zu lassen.«
    Wendel schloss die Augen. Ja, das waren gute Nachrichten, auch wenn damit die Angelegenheit lange nicht ausgestanden war. Denn es bedeutete zugleich, dass er in Reutlingen gefangen war. Weder die Esslinger noch de Bruce würden lockerlassen, und er war nur sicher, solange er die Stadt nicht verließ. Wozu sollte er genesen, wenn er doch des Todes war oder ein Leben lang Gefangener in seiner eigenen Stadt? Wenn er sich doch bloß erinnern würde, was auf der Adlerburg vorgefallen war!
***
    Das tat richtig gut! Konrad Sempach saß im »Eichbrunnen« und ließ sich einen Humpen Bier schmecken. Nach dem obligatorischen sonntäglichen Mittagsmahl im Kreise seiner Familie – seiner Gattin und der drei halbwüchsigen Töchter, der schwerhörigen Mutter seiner Gattin und der Dienstboten – genoss er die derbe Heiterkeit der Schankstube. Hier war er unter Männern. Und auch wenn längst nicht alle seinem gehobenen Stand angehörten, so lachte man doch über die gleichen Scherze und erfreute sich gemeinsam am Duft der Speisen, am Geschmack des Bieres und am Anblick der Mägde.
    »Heda, Mädchen! Du kommst wie gerufen!« Er klatschte einer Magd die flache Hand auf den Hintern und fischte sich mit der anderen einen neuen Krug vom Brett. Fast wäre die Magd gestürzt. Gelächter dröhnte durch die Schänke.
    Sempach setzte den Bierkrug an den Mund, hielt aber inne, als er Johann Remser eintreten sah. Ausgerechnet jetzt! Verflucht, hätte Remser nicht warten können? Einer seiner Tischnachbarn hatte eben angedeutet, er sei an einem Geschäft mit besonders frischer und leicht verderblicher Ware interessiert. Dabei hatte er die blutjunge Magd, die ihm soeben einen neuen Krug Wein vorsetzte, bedeutungsvoll angesehen. Sempach war sofort hellhörig geworden. Doch aus dem Handel wurde nun erst mal nichts, da der Schultheiß geradewegs auf ihn zukam. Er wurde begleitet von Enders von den Fildern, der eine Miene machte, als hätten die Württemberger gerade das Schelkopfstor eingenommen.
    »Auf ein Wort, Sempach«, sagte Remser und blieb stehen, ein ganz schlechtes Zeichen. Üblicherweise nahm man erst einmal Platz, bestellte zu trinken und zu essen, bevor man langsam zur Sache kam. Aber das hier ließ sich an wie eine peinliche Befragung.
    Sempachs neuer Bekannter verstand sofort und verzog sich an einen anderen Tisch. Remser und von den Fildern zögerten einen Moment, dann rutschten sie an seiner Stelle auf die Bank.
    »Es gibt Neuigkeiten«, begann Remser ohne Umschweife. »Schlechte Neuigkeiten. Wir haben Nachricht von einem Boten aus Ulm erhalten.«
    Sempach zog die Brauen hoch. »Aus Ulm? Ja und?«
    Der Schultheiß nickte und machte Enders von den Fildern ein Zeichen. Dieser zog eine Schriftrolle aus seinem weiten Ärmel. Noch bevor er anfangen konnte, den Inhalt vorzutragen, tauchte die Magd auf.
    »Was darf ich Euch bringen, Herren?«
    »Nicht jetzt!«, rief Remser ungehalten und verscheuchte sie mit der Hand.
    Von den Fildern räusperte sich umständlich. Er knetete seine knorrigen Finger, dann endlich begann er mit gedämpfter Stimme vorzulesen:
    »Verehrter Schultheiß,
    verehrte Ratsherren der Reichsstadt Esslingen,
    im Namen des hohen Gerichts der Reichsstadt Ulm erlauben wir uns, Euch Folgendes mitzuteilen: Am vergangenen Donnerstag, den zehnten Junius, fiel einem hiesigen Wirt ein Mann in seiner Gaststube auf, der sich damit brüstete, dass er einen Mord in Esslingen begangen habe, für den ein anderer hängen würde. Der fragliche Wirt, ein braver Bürger, der zudem gehört hatte, dass auf die Ergreifung des flüchtigen Mörders eine Belohnung ausgesetzt sei, rief sofort nach dem Büttel. Nachdem der Fremde in den Kerker gebracht und von unserem Scharfrichter peinlich befragt wurde, gestand er die schändliche Tat. Demzufolge erstach der Mann, der sich selbst Simon Brecht nennt, von Beruf Steinmetzgeselle, in der Nacht zum siebten Junius den Benedikt Rengert, Sohn des Jobst Rengert, von Beruf Weingärtner, mit einem Dutzend Messerstichen. Die Tatwaffe, die einem gewissen Wendel Füger gehören soll, ließ er absichtlich am Tatort zurück. Ein Unbekannter erteilte den Auftrag für die Tat, von ihm erhielt Brecht das Messer. Der unbekannte Auftraggeber soll eine auffällige Narbe im Gesicht tragen. So weit das Geständnis.
    Nun zu unserem Anliegen: Wir bitten den Schultheiß und den Rat der Reichsstadt Esslingen,

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