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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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der letzte Spross.«
    »Albertus Magnus war ein großer Mann.« Melisande reckte die Schultern. »Mein Urgroßvater ist ihm einmal leibhaftig begegnet.«
    Raimund schnitt mit der Hand durch die Luft. »Still!«, zischte er. Ohne ein weiteres Wort griff er nach Melisandes Hand und zerrte sie mit sich.
    Sie hatte es ebenfalls gehört, das Geräusch von Pferden, die sich einen Weg durch das Unterholz brachen. Sie näherten sich von der Seite, wo der Wald nicht ganz so dicht war. Wie ein Wiesel rannte Melisande neben Raimund Magnus her. Sie versuchte, ihre Hand aus der seinen zu lösen, aber er hielt sie unerbittlich fest.
    »Lasst die Albernheiten! Ich bin nicht versessen darauf, dass mir jemand Euretwegen die Kehle aufschlitzt!«, flüsterte er, als sie kurz innehielten, um zu verschnaufen.
    Melisande senkte beschämt den Kopf. Sie schwitzte, in Bächen rann ihr der Schweiß den Rücken hinunter. Der Hufschlag war verstummt. Vielleicht horchten die Verfolger ebenfalls. Womöglich hatten sie schon fast aufgeholt, lauerten irgendwo ganz in der Nähe auf ihre Beute.
    »Das ist nichts für einen Mann wie mich«, stöhnte Raimund Magnus leise. »Aber es hilft nichts. Wir müssen weiter. Nur noch ein kurzes Stück.«
    »Wohin gehen wir?«
    »Dahin, wo uns de Bruce niemals finden wird. Es sei denn, er ist der Leibhaftige. Los jetzt.« Er fiel in einen leichten Trab, der jedoch immer wieder von dem dichten Unterholz gebremst wurde.
    Manchmal mussten sie auf die Knie, um unter Bäumen hindurchzukriechen, die beim letzten Sturm wie Strohhalme geknickt worden waren und jetzt übereinandergeschüttet dalagen. So kamen sie zwar nur mühsam voran, aber sie konnten wenigstens sicher sein, dass ihre Verfolger die Pferde hatten zurücklassen müssen. Dennoch hörten sie, wie de Bruce’ Männer immer näher kamen.
    Melisandes Lungen brannten, ihre Seite schmerzte, als steckte ein Pfeil darin, aber Raimund zog sie unbarmherzig weiter.
    Der Wald lichtete sich, der weiche Boden machte hartem Felsen Platz, auf dem keine verräterischen Fußspuren zu sehen sein würden. Melisande schaute nach vorne. Das konnte doch nicht sein! Sie rannten geradewegs in eine Sackgasse! Unüberwindlich erhoben sich Felsen rechts und links. Und am Ende des Tales versperrte eine Steilwand den Weg. Aus dieser Mausefalle gab es kein Entrinnen, und die Jäger mussten jeden Moment hinter ihnen aus dem Wald kommen. Hier konnten sie ihre Beute mit den Armbrüsten abschießen wie junge Hasen. Was –
    Bevor Melisande den Gedanken zu Ende denken konnte, riss Raimund sie zur Seite. Er griff an die Felswand, wie von Zauberhand wich diese zur Seite und gab eine Öffnung frei. Einen Moment später kauerten sie in einem Gang. Raimund rollte den Stein zurück, und jetzt erkannte Melisande, dass hier weder Magie noch Teufelei im Spiel waren. Von außen mochte der Brocken aussehen wie ein unbeweglicher Felsklotz, aber in Wirklichkeit hatte er eine Kreisform und ließ sich auf einer behauenen Rinne mit ein wenig Kraft gerade so weit beiseiterollen, dass sich ein Mensch durch den entstandenen Schlitz hindurchdrücken konnte.
    Ein Quietschen wie von einem Riegel war zu hören, dann Raimunds erleichtertes Seufzen. »Jetzt können wir uns ein wenig ausruhen.«
    Melisande konnte die Hand nicht vor den Augen sehen. Auch waren sämtliche Geräusche von außen verschwunden. Langsam ließ sie sich an dem nackten Felsen hinabgleiten, bis sie auf einer Art Vorsprung zum Sitzen kam.
    Sie hörte, wie Raimund nach Luft japste. »Hier sind wir in Sicherheit. Niemand außer mir und Euch kennt diese Höhle. Mein Vater hat sie mir gezeigt und davor sein Vater ihm. Ein verborgener Zufluchtsort. Bis heute habe ich ihn nicht gebraucht. Doch ich komme regelmäßig her und sorge dafür, dass alles bereit ist. Ich werde Euch gleich verlassen, denn ich muss zurück in die Stadt. Meine Dienste werden gebraucht.«
    Das Klopfen von zwei Steinen, die aufeinandergeschlagen wurden, hallte durch die Finsternis. Funken stoben, ein kleines Flämmchen loderte auf, und schon brannte eine Fackel, die die harschen Gesichtszüge des Henkers zum Leuchten brachte.
    »Werdet Ihr einen Menschen hinrichten?«
    Raimund lachte leise, aber seine Augen lachten nicht mit. »Nein. Im Gegenteil. Ich werde einem Menschen das Leben retten, wenn es Gott gefällt.« Er griff unter seinen dunklen Umhang und nahm eine Hand voll Pflanzen heraus. »Seht Ihr das?«
    Melisande nickte. Jetzt konnte sie schon fast alles erkennen, wenn auch

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