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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Folge geleistet.
    Raimund seufzte, packte ein, was er mit seinen bloßen Händen berührt hatte, und verließ ohne ein Wort den Raum.
***
    Das Niesen zerriss die Stille des Waldes. Melisande verharrte reglos. Sie spannte jeden Muskel an, bereit, sofort loszurennen und sich im Unterholz zu verstecken.
    Einer der Männer drehte seinen Kopf in ihre Richtung. Jetzt, los!, dachte sie. Schnell, spring auf, renn, renn! Doch ihr Körper versagte den Dienst.
    Der Söldner mit der höheren Stimme hielt sich die Nase zu. »Du bist ein Schwein!«, schnauzte er seinen Kumpel an.
    »Ich war das nicht«, rief der andere ernsthaft empört.
    »Natürlich warst du das. Du bist das immer. Du schaffst es sogar, Wasser in faulige Luft zu verwandeln, immerzu.«
    »Diesmal war ich es aber nicht. Ehrlich. Zu meinen Fürzen stehe ich, das weißt du doch!«
    Sein Kumpel winkte nur ab und kratzte sich im Schritt.
    Melisande traute ihren Ohren nicht. Die beiden waren offenbar so betrunken, dass sie die Laute des Körpers nicht mehr voneinander unterscheiden konnten. Und sie schienen überhaupt nicht an die Möglichkeit zu denken, dass sich eine dritte Person in ihrer Nähe befinden könnte. Dennoch war die Gefahr nicht gebannt. Es war immer noch möglich, dass einem von ihnen dämmerte, was das Geräusch zu bedeuten hatte.
    Mit klopfendem Herzen wartete sie. Hoffentlich fiel den beiden bald wieder ein, dass sie einen Auftrag hatten und weitermussten. Lange durften sie hier nicht mehr verweilen. Es dämmerte bereits. In Kürze würde Melisandes Versteck im Licht der Sonne liegen, und sie würde unweigerlich entdeckt werden.
    Die beiden Söldner standen immer noch an der gleichen Stelle, als wären sie angewachsen. Melisande konnte sie nicht nur sehen, sondern auch riechen, denn sie stanken wie die Schweine. Sie fragte sich, wie diese Gesellen ihre Körperausdünstungen von dem Geruch eines Darmwindes unterscheiden wollten, und erkannte, dass genau dieser Umstand sie vor der Entdeckung bewahrt hatte. Hatte sie vorher der Juckreiz in der Nase gepeinigt, drang jetzt ein erleichtertes Lachen ihre Kehle hoch. Ein Furz, den es gar nicht gab, hat mir das Leben gerettet!, dachte sie und biss sich auf die Zunge, um nicht vor Lachen loszubrüllen.
    Endlich kam Bewegung in die Männer. Der mit der tiefen Stimme rückte den Bogen zurecht, der über seiner Schulter hing, der andere musterte sein Schwert.
    Mein Bruder hätte mit den beiden kurzen Prozess gemacht, dachte Melisande. Das Gefühl, lachen zu müssen, verging ihr. Stattdessen begannen ihre Augen zu brennen. Schnell verscheuchte sie den Gedanken.
    »Fünf Pfund Heller hat de Bruce für das kleine Luder versprochen«, setzte der mit dem Bogen das Gespräch fort. »Dafür muss ich lange Wache schieben. Und das Geld gibt es nur, wenn sie frisch ist wie ein Küken.«
    »Siehst du?« Der andere ließ das Schwert in die Scheide gleiten und hakte die Daumen in den Gürtel. »Endlich hast du es begriffen. Wenigstens hast du noch einen kleinen Funken Verstand in deinem Holzkopf. Lass uns hier nicht dumm rumstehen.«
    »Erst ein Schluck Wein.«
    Ein Pfropfen ploppte, der Wein plätscherte in einem großen Bogen in den Rachen des Söldners.
    »Verdammt, ein echt guter Tropfen. Schade, dass es der Rest ist.«
    »Red nicht, gib schon her.« Der mit dem Schwert schnappte nach dem Weinschlauch, aber der andere trat einen Schritt zurück und lachte. »Jetzt bin ich kein Trottel mehr, was? Sag schön bitte, dann überlege ich mir, ob du was bekommst.«
    »Ach ja?« Mit einer schnellen Bewegung riss der Söldner seinem Kameraden den Weinschlauch aus der Hand, zog mit der anderen ein Messer und setzte es ihm an den Hals. Bis auf den letzten Tropfen saugte er den Wein aus dem Schlauch, die Augen immer auf sein Gegenüber gerichtet. Als er ausgetrunken hatte, setzte er den Schlauch ab und ließ gleichzeitig das Messer wieder verschwinden. »Beim nächsten Mal gibst du mir das Zeug gleich. Ist das klar?«
    Der mit dem Bogen streckte langsam die Hand aus, nahm seinen Schlauch entgegen, hängte ihn um und ging los, bot dem anderen seinen Rücken. Dem war das Antwort genug, er grinste zufrieden und folgte ihm. Kurz darauf waren ihre Schritte nicht mehr zu hören.
    Melisande atmete tief und lautlos, blieb auf der Erde liegen, die ihr plötzlich so tröstlich erschien. Am liebsten hätte sie sich noch tiefer in den wohlriechenden Grund hineingegraben, einfach die Augen geschlossen, um nichts mehr sehen, nichts mehr hören und

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