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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Adlerburg.‹ Er wartete einen Moment, und als ich mich nicht bewegte, lächelte er. ›So ist es recht. Du bist ein Mann mit Mut, Stolz und Können. Ich will von dir lernen. Deine Art, einem Mann den Kopf abzuschlagen, ist einzigartig.‹« Sie drehte Raimund auf die Seite.
    Mit zusammengepressten Lippen nahm er hin, dass sie ihm das durchnässte Leinentuch auszog und ihn sorgfältig wusch.
    »Wir haben eine Lehrstunde abgemacht«, sagte sie so beiläufig, als handle es sich um eine ganz gewöhnliche Verabredung. Doch Raimund ließ sich nicht täuschen. Er suchte ihren Blick, sie aber starrte ins Leere.
    »In drei Tagen werden wir uns treffen. Wenn de Bruce wüsste, von wem er sich die Kunst des Tötens mit dem Schwert beibringen lassen will! Er wird es erfahren. Im Augenblick seines Todes. Bald ist es so weit.«
    Raimund stieß seinen Arm in die Luft, griff Melisande an der Schulter. Er wollte sie anschreien: »Tu das nicht! Er wird dich töten, bevor du auch nur mit der Wimper zuckst.« Doch seine Kehle blieb stumm.
    Sie schien dennoch zu wissen, was er sagen wollte. »Ich werde es tun. Ich muss. Niemals wieder werde ich ihm so nah kommen. Gott will es. Gott hat ihn zu mir geführt, damit endlich die Gerechtigkeit siegt.«
    Tränen stiegen Raimund in die Augen.
    Melisande brach ab und legte ihren Kopf auf seine Brust. »Weine nicht«, sagte sie leise. »Ich werde leben, und de Bruce wird sterben. Ich werde dich nie im Stich lassen, auch nach seinem Tod nicht. Es wird wie ein Unfall aussehen. Du hast mir doch alles über Pflanzen beigebracht. Nerthus’ Klinge wird tödlicher sein als je zuvor. Nicht weil sie schärfer ist als jede andere Klinge, sondern weil eine harmlose Pflanze sie in eine todbringende Falle verwandeln wird. Ich werde de Bruce nur streifen, einen kleinen Kratzer auf seiner Haut hinterlassen. So etwas passiert im Eifer des Gefechts. Das Gift wird ihn innerhalb eines Tages in die Hölle schicken. Und niemand wird wissen, woran er gestorben ist.«
    Melisande richtete sich wieder auf, aber Raimund war nicht beruhigt. Mit der linken Hand krallte er sich in ihrem Gewand fest.
    »Ich bin kein Kind mehr, hast du das vergessen?« Sie riss sich los, sprang auf. »Ich bin Melchior, der Henker von Esslingen!«
    Raimund ließ seine zitternde, nutzlose Hand auf die Bettdecke fallen.
    Melisande senkte den Blick. »Das alles ist nicht leicht für mich, Raimund. Glaubst du, ich weiß nicht, in welche Gefahr ich uns bringe? Doch ich habe einen Schwur geleistet, den Schwur, meine Familie zu rächen. Ich habe keine Wahl. Mach es mir also nicht noch schwerer!«
***
    Gerade als Wendel das Zeichen zum Aufbruch geben wollte, kam ein Reiter in blinkender Rüstung angeprescht und gebot Einhalt. Ein Bote der Württemberger? Was war los? Herrschte nicht Frieden? Wendel wurde flau im Magen. Der letzte große Krieg lag zwei Jahrzehnte zurück, und er kannte ihn nur von den Erzählungen seines Vaters. Damals waren die Reutlinger plündernd und mordend durch das Land gezogen, hatten die württembergische Stadt Nürtingen völlig zerstört und zwei Burgen geschleift. Trotz des Landfriedens brodelte es nach wie vor ständig zwischen den württembergischen Grafen und den Reichsstädten. Die Württemberger bezogen nicht nur Umgeld und Zölle aus den Städten, sie hatten auch unmittelbaren Einfluss auf deren innere Angelegenheiten. So war der Vogt der Achalm zugleich Stadtvogt von Reutlingen, was vielen Bürgern ein Dorn im Auge war. Manche sprachen bereits davon, dass es bald wieder zum Krieg kommen könne.
    Wendel schauderte es bei dem Gedanken. In den Kampf ziehen zu müssen war sein schrecklichster Albtraum. Er war kein Feigling. Das war es nicht. Er hätte sich jederzeit in die Schlacht gestürzt, um seine Familie oder die Stadt zu verteidigen. Nein, es war viel schlimmer. Aber das durfte niemand wissen.
    »Seid Ihr der Karcher Erhard Füger?« Der Bote riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Sein Sohn Wendel. Was begehrt Ihr, mein Herr?«
    »Ihr müsst nach Urach kommen. Große Not ist ausgebrochen.«
    Wendel, die Fuhrleute und die Söldner schauten sich ratlos an. Urach stand unter der Verwaltung der Württemberger. Die Stadt war zwar klein, aber sie lag strategisch günstig an der Handelsstraße von Straßburg nach Ulm, sodass viele durchreisende Händler dort Rast machten. Auch Graf Ulrich hielt sich des Öfteren dort auf. Deshalb war Urach wehrhaft, mit einer dicken Mauer, vielen Türmen und einem breiten Graben vor Angriffen

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