Henkerin
etwas und blickte verwirrt um sich. Als sein Blick auf den Henker fiel, stöhnte er auf und sah sich suchend nach den anderen um. »Sie sind fort?«, fragte er.
Sie nickte.
»Wirst du mich jetzt weiter befragen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich war es nicht!« Verzweiflung sprach aus seiner Stimme. Und Todesangst.
Wieder nickte sie.
»Du glaubst mir? Warum bin ich dann noch hier? Lass mich frei! Bitte!«
Sie sah ihn traurig an. Er mochte sich mit de Bruce eingelassen haben, aber er war nicht vom gleichen Holz geschnitzt wie dieser. Er schien ein anständiger Mann zu sein. Er war noch jung, kaum älter als sie. Vielleicht hatte er Familie, Frau und Kinder, die in Reutlingen auf ihn warteten. Er würde sie nie wiedersehen.
***
»Genug!« Ottmar de Bruce schubste ungeduldig den Pagen weg, der ihm gerade beim Ankleiden geholfen hatte und seither pausenlos an seinem Gewand herumzupfte. Es war ein prächtiger blauer Surcot mit silbernen Stickereien, einfach geschnitten, ohne Tasseln und anderen modischen Schnickschnack, den der Graf verachtete, aber aus dem feinsten Samt, den die Gewandschneider von Esslingen hatten besorgen können. Ein Meisterwerk, das eines Königs würdig gewesen wäre. »Es reicht, Bursche, nimm deine dreckigen Finger von mir!«
Rasch verzog sich der Page in eine Ecke des Raums. De Bruce sah verächtlich auf ihn hinunter. Dieser Mathis war ein Weichling, ein weibischer Wurm, aber er würde ihn schon noch in die Härten des Lebens einführen, ganz so, wie er es seinem Vater versprochen hatte. Bei Adam war ihm das schließlich auch gelungen, obwohl er den Knappen auf Graf Ulrichs Befehl hin nur mit Samthandschuhen angefasst hatte.
»Los, lauf!«, herrschte er Mathis an. »Hol von Säckingen her! Ich wünsche ihn sofort zu sprechen.« Der Knabe huschte aus der Tür. De Bruce trat ans Fenster und blickte ins Tal hinab. Eine Wagenkolonne näherte sich. Auch wenn die meisten Hochzeitsgäste bereits seit dem Fest in der vergangenen Woche auf der Burg weilten, erwartete er im Laufe des Tages zahlreiche weitere Gratulanten. Und seine Braut, denn Othilia war für die Tage bis zur Vermählung noch einmal heimgekehrt, da es sich nicht schickte, dass sie bereits vor der Eheschließung unter dem Dach ihres zukünftigen Gemahls weilte.
Heute war sein Hochzeitstag. Der Gedanke bereitete de Bruce nicht den wohligen Schauer, den er beim ersten Mal verspürt hatte. Kein Wunder. Gegen seine erste Gemahlin Hildegard war Othilia von Hohenfels eine blasse, hölzerne Erscheinung. Sie mochte als hübsch gelten, ihm war sie zu mager und zu leblos. Aber sie entstammte einer einflussreichen Familie. Und sie war mit Melisande Wilhelmis verwandt. Ja, Emelin hatte die Wahrheit erkannt. Beinahe jedenfalls. Er sah zwar nicht die Tochter von Konrad Wilhelmis in seiner Braut, aber einen Weg zu ihr. Er hatte die Familie von Beata Wilhelmis nach dem Überfall genau beobachten lassen, er hatte überprüfen lassen, ob irgendwo plötzlich eine neue Cousine oder gar eine neue Magd auftauchte, auf welche die Beschreibung von Melisande Wilhelmis zutraf. Nichts. Vielleicht hatte er nicht gründlich genug gesucht. Diese Scharte würde er auswetzen, jetzt, wo ihm alle Wege offenstanden.
De Bruce ballte die Faust. Die Abneigung, die er gegenüber seiner Braut empfand, war nicht der einzige Grund, weshalb er seiner Hochzeit mit wenig Vorfreude entgegenblickte. Er hatte schlecht geschlafen. Er hatte schlecht geträumt. Von dem kleinen feuerhaarigen Miststück, Melisande Wilhelmis. Kurz nach dem Überfall hatte die rote Hexe ihn fast jede Nacht heimgesucht. Der Traum war immer der gleiche gewesen, genau der, der ihm auch heute Nacht den Schlaf geraubt hatte: Sie stand barfuß auf der Lichtung, nur mit einem dünnen weißen Gewand bekleidet, und hielt ein riesiges blitzendes Schwert in ihren zarten Händen. Sie stand still, doch in ihren Augen funkelte nichts als Hass, der Hass, den er schon einmal in diesen Augen gesehen hatte. Er wollte sein Schwert ziehen und sie erschlagen, so wie er es damals am Tag des Überfalls hätte tun sollen, doch er konnte seine Arme nicht bewegen. Sie waren auf dem Rücken zusammengebunden. Panisch blickte er hin und her, versuchte, einen Schritt rückwärts zu machen, doch auch seine Beine gehorchten ihm nicht. Melisande trat näher und hob langsam das Schwert. Drohend schwebte es einen Augenblick über ihm, dann sauste es mit todbringendem Schwung auf ihn nieder.
Er war von seinem eigenen Schrei
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