Henkersmahl
Ernst.« Max bekam einen roten Kopf.
»Doch. Und zwar aus gutem Grund.« Regines Stimme klang ungewohnt scharf.
Barrick lehnte sich zurück, reckte den Hals und schob den Unterkiefer vor, wie immer, wenn er sich einerseits unbehaglich, aber dennoch wunderbar mächtig fühlte.
»Der Leiter des Gesundheitsamtes und die Referentin aus dem NRW-Innenministerium haben vor 20 Minuten ihre Teilnahme an der Show abgesagt«, erklärte Regine.
Florian unterbrach sie entgeistert: »Was? Ich habe doch gerade noch mit beiden telefoniert.«
»Nun, was Sie so unter gerade noch verstehen. Wir machen eine aktuelle Talkshow, und die aktuelle Entwicklung sieht nun mal so aus, dass beide nicht zur Verfügung stehen. Anstatt nun wie wild Ersatz-Talkgäste aus der Politik zu suchen und in Anbetracht der knappen Zeit maximal Gäste der B- oder C-Kategorie zu kriegen, machen wir lieber eine Top-Sendung zu einem ganz anderen Thema …«
»… das aber niemanden wirklich interessiert«, führte Max den Satz fort. »Ich habe zwar, wie ihr wisst, die Sendung über die Jugendbanden schon vorbereitet, aber im Brennpunkt stehen doch jetzt ganz andere Dinge! Die Menschen wollen erfahren, was es mit den dubiosen Krankheitsfällen auf sich hat. Außerdem erwarte ich in den nächsten Tagen einen heißen Tipp über einen bevorstehenden Bandenkrieg, der sich in Köln-Bickendorf abspielen soll. Wäre doch schade, das Pulver einfach zu verschießen.«
Max sah Regine an, und die Hoffnung, dass sie ihm zustimmte, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er fuhr fort: »Außerdem haben wir Neuigkeiten. Ein Toter aus Ehrenfeld scheint Opfer der unerklärlichen Krankheit zu sein.«
»Woher wollen Sie das denn wissen?« Barrick funkelte ihn an. Seine Geheimratsecken ließen sein Gesicht noch länglicher erscheinen, als es eh schon war.
»Aus sicherer Quelle«, erwiderte Max.
»Und um welche geht es dabei, wenn ich fragen darf?« Barricks Stimme klang beinahe spöttisch.
»Das würde ich jetzt lieber für mich behalten. Informantenschutz. Aber ich gehe davon aus, dass Sie das spätestens übermorgen in der Zeitung lesen werden.« Max’ Antwort war schroffer als nötig ausgefallen.
»Die Quelle wollen Sie also nicht nennen und wir können sie auch nicht benutzen«, stellte Barrick fest. »Treu und Glauben als Basis der Sendung? Dafür riskiere ich nicht den Kopf bei der Programmdirektion.«
»Moment mal, Herr Barrick. Wenn wir die Sendung machen, dann wird die Quelle sogar mit auf dem Talksofa sitzen«, versetzte Max.
Regine schritt ein: »Woher stammen die Informationen, Max, und wer ist dein geheimnisvoller Talkgast?«
»O. k.« Max verzog das Gesicht. »Eddie Klump vom Kölner Blick. Er weiß eine Menge und war sogar auf der Party, auf der der junge Mann starb.«
»Dieser windige Boulevard-Journalist«, erregte Barrick sich. »Dem ist doch jede Lüge recht, um sich bei uns in die Sendung zu schleichen.« Barrick, bereits Ende 50, kam tatsächlich in Fahrt. »Machen Sie die Sache wasserdicht. Kommen Sie mir nicht mit diesem Klump und bringen Sie mir klare Belege, dann reden wir weiter.«
Max schluckte. »Da ist noch etwas. Florian Halstaff und ich haben heute Morgen per Anruf auf dem Handy eine Drohung erhalten. Wenn wir die Sendung nicht kippen würden, müssten wir mit dem Schlimmsten rechnen. Was immer das auch heißen mag.«
Max und Florian sahen Barrick erwartungsvoll an, gespannt, wie er auf diese Mitteilung reagieren würde.
Barrick stutzte einen Moment. »Sie nehmen das doch nicht etwa ernst?«
»Auf jeden Fall so ernst, dass wir die Sendung unbedingt machen sollten. Nun erst recht.« Max drehte sich zu Florian, der nachdrücklich nickte.
»Keine Frage.«
»In diesem Fall gebietet allein meine Fürsorgepflicht, Ihnen die Sendung zu untersagen«, erwiderte Barrick ironisch. »Nicht, dass Ihnen etwas zustößt. Sie wissen ja, für solche Fälle sind wir beim Sender nicht versichert.«
Max starrte Barrick an und schwieg. Jetzt schaltete sich Regine ein, die wie immer in einem dunklen Designerkostüm am Tisch saß, das ihr halblanges blondes Haar perfekt kontrastierte.
»Wie auch immer, fest steht, dass uns die Gäste aus der Politik abgesprungen sind. Das Problem haben wir in jedem Fall und die Chancen, so kurzfristig hochkarätigen Ersatz zu bekommen, stehen schlecht. Die haben uns nur Mitarbeiter aus dem Mittelbau anzubieten.«
Florian und Max sahen sich an. Die beiden anderen Redakteure sagten keinen Ton.
Schließlich unternahm
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