Henkersmahl
Er berichtete auch von dem wieder aufgetauchten Laptop, was Eddie mit den Worten kommentierte: »Darauf, dass da etwas faul ist, würde ich meinen Kopf wetten.«
»Ich auch.« Florian warf Eddie einen prüfenden Blick zu. »Was sagen die Kranken, mit denen du telefoniert hast?«
»Die hatten auch alle Rotwein intus. Einige hatten zusätzlich aber auch noch etwas anderes getrunken, Schnaps zum Beispiel. Du kennst das ja. Je später der Abend, desto hochprozentiger die Getränke. Ungefähr die Hälfte von denen hat durcheinandergetrunken.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass ein Ahrwein dahintersteckt. Wahrscheinlich habe ich auch schon davon getrunken und mir ist nichts passiert, aber ich würde es gern überprüfen«, sagte Florian.
»Brauchst du meine Hilfe?«
Florian nickte und zeigte ihm die Anrufliste. »Ich kümmere mich um die Anrufe auf Max’ Festnetzanschluss, übernimmst du die Anrufe auf seinem Handy? Es geht darum zu checken, ob wir mehr über den Wein in Erfahrung bringen können. Stammt er aus Dernau, wie ich vermute? Doch die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang lautet: Welcher Winzer hat ihn produziert?«
»Klar Chef.« Eddie grinste ihn an und steckte das Papier ein. »Noch mal etwas von dem Irren gehört?«
Florian wusste sofort, wen er meinte, wollte Eddie aber nicht in alles einweihen. Der Präsentkorb blieb für Eddie tabu. Außerdem hatte er es eilig. Er wollte so schnell wie möglich zurück in die Redaktion, um ein paar Erkrankte anzurufen und dann für das Abendessen mit Jana einkaufen. Als ihm bewusst wurde, dass Eddie ihn nach wie vor erwartungsvoll ansah, sagte er: »Entschuldige, ich war in Gedanken. Nein. Der Verrückte hat nicht mehr angerufen.«
Eddie sah ihn aufmerksam an. »Na, wenigstens etwas. Aber du solltest mal wieder eine Nacht durchschlafen.«
Statt in irgendeiner Form auf die Bemerkung einzugehen, sagte Florian: »Chocolat Royal Suisse ist übrigens von jedem Verdacht befreit, und Freskos Frischkäse ist im Grunde genommen harmlos.«
»Das heißt?«
»Du musst zwei Pfund von dem Zeug in dich reinstopfen, um eine Allergie zu kriegen. Aber nach zwei Pfund Frischkäsekonsum ist dir wahrscheinlich sowieso so schlecht, dass du nicht mehr weißt, wo oben und unten ist.«
»Bei Chocolat Royal Suisse stinkt trotzdem irgendetwas zum Himmel.«
»Wie kommst du drauf?«
»Nicht nur, dass sie sich weigern, mir ein offizielles Statement zu geben, was man als Bestandteil ihrer aktuellen Kommunikationsstrategie interpretieren könnte.« Eddie senkte die Stimme. »Nein, ich habe mich auch auf dem Betriebsgelände umgesehen und mich mal umgehört.«
»Und?«
»Chocolat Royal Suisse ist ein alter Familienbetrieb, und in der ehrwürdigen Familie laufen gerade Machtkämpfe um das Erbe ab. Der alte Frings, dem der Laden gehört und der schon Mitte 70 ist, hat einen Sohn und eine Tochter aus seiner ersten Ehe. Die Frau ist längst tot. Seit einigen Jahren ist er mit einer 30 Jahre jüngeren Frau verheiratet, Magda Frings. Sie ist etwas älter als seine Kinder aus erster Ehe und streitet sich jetzt schon mit ihnen um das Erbe. Der alte Frings lässt angeblich gerade das Testament ändern. Außerdem erhebt seine Frau Führungsansprüche, sie arbeitet aktiv in der Firmenleitung mit und hat großen Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen ihres Mannes. Ihr jüngerer Bruder arbeitet übrigens auch im Unternehmen, in der Entwicklungsabteilung, er heißt Paul Seeland.«
»Das hat doch wohl aber alles nichts mit den Krankheitsfällen zu tun, oder?«
»Ich gehe der Sache in jedem Fall mal nach. Vielleicht ist eine andere Story drin.«
»Gibt es irgendjemanden bei Chocolat Royal Suisse, der Kasten heißt?«, fragte Florian aus einer Eingebung heraus.
»Nicht dass ich wüsste. Wieso?«
»Ich habe so ein Gefühl, als ob Curt Kasten, unser neuer und sehr stolzer Redaktionsleiter, ein ganz persönliches Interesse gehabt hat, als er sich heimlich Max’ Laptop unter den Nagel gerissen hat. Vielleicht hat sein Verhalten irgendetwas mit Chocolat Royal Suisse oder Fresko zu tun, und er hat befürchtet, dass Max Informationen hatte, die das eine oder andere Unternehmen belasten könnten.«
Eddie stützte sein Kinn in die rechte Hand und sah Florian sinnierend an. »Dann werde ich mal ein besonderes Augenmerk auf den Namen Kasten legen und dich anrufen, falls mir etwas auffällt.«
»Danke.«
Eddie sog hörbar die Luft durch die Nase. Er erhob sich und Florian sah ihn fragend an.
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