Henningstadt
Schwulen. Henning findet das eine gute Lö sung, so kann er leicht über das Thema reden. Es gefällt ihm, so rasch zum Sachverständigen in schwulen Belan gen avanciert zu sein. Er erklärt also die SIH, nennt das Inflagranti und den nahe gelegenen Friedhof, der auch ein Treffpunkt für Homosexuelle ist, und erzählt, wo alles liegt. «Also mitten im Kneipenviertel in der Altstadt!», stellt Lars fest. «Nicht ganz, die Kneipen hören zwei Ecken weiter plötzlich auf und es ist schon ein bisschen abgelegen. Lars nickt verstehend. Ob er ihn da mal treffen wird, fragt Henning. Lars zuckt mit den Schultern. «Ich kann ’ s mir ja mal ansehen.» Und was Treffpunkt heiße. Hen ning druckst ein bisschen rum. So genau ist ihm auch nicht klar, wie das geht. Die werden sich ja wohl nicht in die Familiengrüfte begeben und auf die Gedenkkränze sprit zen. Henning sieht an Lars vorbei. Ein Typ gegen über gefällt ihm. Jedenfalls gibt er Lars zu verstehen, dass es im Park um Sex geht und dass es diese Lichtung im Ge büsch gibt.
Als der Typ aggressiv «Iss was?» ruft und halb auf steht, die Hände auf den Tisch stützt, fühlt sich Henning endgültig nicht mehr wohl. Er sieht zu Boden.
«Wenn das ein Mädchen gewesen w ä r, hätte es ihr ge fallen!», behauptet Lars, und Henning ist froh, dass er ihn versteht. Lars ist ein Verbündeter geworden. Neben den Verbündeten aus der SIH, die er eigentlich noch nicht kennt. Und natürlich Steffen. Die restliche Welt hat sich zur Feindin erklärt. Die Welt zerfällt in zwei Teile. Nor mal und schwul.
«Komm, wir gehen zu mir!», sagt Henning, und Lars kommt mit. Ob man denn bei ihm Bier trinken darf?
«Das geht schon klar!», sagt Henning. «Cool», sagt Lars.
«Das ist doch scheiße, wenn man schwul ist», sagt Hen ning, um noch mal auf die Szene von eben zurück zukommen und Mitleid zu kriegen. «Ach! Der Typ spinnt einfach. Vergiss es! Hätte mir genau so gut passieren kön nen.» Henning überlegt, ob das heißt, dass Lars nun doch nicht schwul ist.
Brav sagt Henning Bescheid, dass er da ist und Lars mitgebracht hat. Abendessenszeit ist zum Glück schon vor bei und die beiden Jungs verziehen sich in Hennings Zim mer.
Henning und Lars setzen sich auf den Boden. Lars hat eine Kippe angezündet. Henning geht noch mal in die Küche und holt einen Aschenbecher. Seine Mutter raucht auch, das ist also kein Problem.
Musik läuft, Kerze brennt. Eltern sind beschäftigt und gehen gleich ins Bett. Die Ermahnung, es nicht zu spät wer den zu lassen, ist erfolgt, und die beiden Jungs kön nen damit rechnen, dass sie ungestört bleiben. Lars ’ Ziga rette brennt noch. Er holt das Päckchen, nimmt eine raus und leckt einmal daran entlang. Er holt ein Päckchen Papers raus.
«Kannst du die Tür abschließen?», fragt er.
«Ja.»
«Dann mach mal.»
Henning schließt die Tür leise ab, damit die Eltern es nur merken, wenn sie reinkommen wollen. Er wundert sich.
«Ich bau uns ‘ ne Tüte», sagt Lars. «Ich hab Gras mitgebracht.»
«Gut», meint Henning. Er ist sich nicht sicher, was Lars von ihm will und ungewiss, ob er Drogen nehmen will. Denn im Gegensatz zu Kaffee, Zigaretten und Alkohol ist Gras ja eine Droge.
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Mein lieber Henning!
Ich will nicht lange stören. Vermutlich ist es auch un geschickt von mir, die mühsam aufgebaute Atmosphäre trauter Zweisamkeit zu unterbrechen. Ich wollte dir nur sagen: Ich hänge an der Wand und sehe alles!
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«Was macht das denn, das Gras?», erkundigt sich Hen ning.
«Du hast noch nie gekifft, was?» Lars reitet auf Hen nings Unkenntnis rum.
«Nein.» Henning beißt in den sauren Apfel.
«Na ja, du wirst sehen.»
Henning zögert.
«Also dann bau ich erst mal eine mit wenig drin, damit du siehst, was passiert. Wenn du dann noch willst, baue ich noch eine.»
Das f indet Henning eine gute Idee.
«Wissen deine Eltern, wie Marihuana riecht?» Lars prunkt mit verschiedenen Namen, die nicht immer ganz treffen.
«Sicher nicht», sagt Henning kühl, denn dies ist eine ordentliche Familie. Bis auf den schewuhlen Sohn.
«Also, es macht ein bisschen leicht, man wird kichrig oder kriegt einen Lach-Flash, und man wird nicht so blöd, wie bei Alk. Eher leicht, und Harmonie und so. Manch mal wird man auch geil. Angeblich verstärkt es die Stim mung, die gerade da ist. Das find ich aber nicht. Ich rauch aber trotzdem nicht, wenn ich schlecht drauf bin.»
Henning weiß so viel wie vorher. Hat sich aber
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