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Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Brühl
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ja nicht jeden Tag Steffen sehen kann und nicht weiß, wann der wieder will. Nur, dass er gesagt hat, er hat viel zu arbeiten. Und er arbeitet auch zu Hause, also auch abends. Henning will nicht den Ein druck erwecken, dass er Steffen hinterherläuft. Isabell geht so was sofort total auf die Nerven, und wahrschein lich ist das bei allen so. «Also gut, klar. Morgen Abend. Um sieben?»
    «Ja», sagt Lars. «Ich bring was mit.» Das Gebäude muss nicht husten, als es die beiden verschluckt.
    Gedankenverloren kritzelt Henning Rosenlaub und Blü ten auf seine gelochten, linierten Din-A-4-Blätter mit Rand.
     
     
     
    34
     
    Lieber Henning!
     
    Immer sehe ich diese Aubergine hier auf meinem Schreibtisch. So eine große, fette Aubergine, und dann denke ich immer an dich und daran, dass ich gar nicht denke, dass die Aubergine phallisch ist.
    Ich musste das einfach mal sagen, weißt du, meine Fingerkuppen sind schon ganz wund vom Tippen. Du wirst dich irgendwann, irgendwo zwischendurch ein paar Stündchen hinsetzen und diese Seiten lesen, aber für mich wird dieser Roman nie aufhören! Niemals! Wenn ich kein Ende mache! Also ich hole jetzt ein Messer.
     
     
     
    35
     
    «Schöne Beine hast du», sagt Steffens Spiegel, denn Steffens Spiegel ist Körperpsychotherapeut und duzt alle Leute. «Dein Schwanz könnte bisschen größer sein.»
    Geld könnte man schließlich auch immer mehr gebrau chen, denkt Steffen, zieht eine frische Unterhose an und steckt sich ein Bergamotte-Bonbon in den Mund. Er mag es nicht, wenn er viel Sperma abspritzt beim Wichsen, sich nicht ausgezogen hat, und dann ist irgendwie alles feucht. Er verzieht sich wieder in sein Arbeitszimmer. Es gibt was zu tun, und er ist zufrieden, dass er nach dem ganzen Urlaub ordentlich arbeiten kann. Eigentlich macht es ihm ziemlich viel Spaß, wenn nur nicht immer alles gestern hätte fertig sein müssen. Er macht Entwürfe für ein Kaufhaus, das schon länger Kunde ist und immer dieselbe Gestaltung mit anderen Sachen haben will, und für einen Blumenladen, der auch Vasen, Übertöpfe, Bänder, Bändchen und teuren Nippes im Sortiment hat. Einen Blumenladen, der Wurfsendungen macht, findet Steffen seltsam, aber man ist das erste Haus am Platz, also bitte. Für die macht er verschiedene Konzepte. Irgendwie ist das immer dasselbe. Wenn man einem neuen Kunden was fertig und gut abliefert, fällt ihm ein, was er eigent lich haben wollte. Vorher kann man fragen, soviel man will. Macht man was Modernes, fällt ihnen ein, dass die meisten Kunden, die was Teueres kaufen, über fünfzig sind; macht er was Konservatives, fällt ihnen ein, dass sie ein schicker Laden sind und keine Friedhofsgärtnerei und so weiter. Also Konzeptentwürfe. Eigentlich macht das auch am meisten Spaß: erst mal was hinrotzen. Jedes Mal sich überwinden, nicht genau zu sein, sondern Id een zu haben. Es ist immer wieder eine Herausforderung im Wasserglas. Also schön. Blumen. Ob Henning auf Blumen steht? Bestimmt. Wer zwei Tassen auf Untertassen stellt und dafür ein Tablett braucht, der steht auch auf Blumen geschenke. Steffen beschließt, dass er sich den Laden eh noch mal ansehen und dann gleich was mitnehmen kann. Die werden sich freuen, dass er sich so engagiert. Wenn der Chef da ist, heißt das. «Ich betreue die Werbekam pag ne Ihres Hauses», wird er sagen. Und wenn er den Chef richtig einschätzt, kriegt er den Strauß geschenkt, vom Haus. «Ich mach euren Werbezettel. — Gebt mir mal was von eurem Kram mit», könnte er auch sagen und sehen, was passiert. Nach zwei Tagen denkt er immer noch un ent wegt an Henning. Es dauert eine Weile, bis es ihm auf fällt. Da fährt ihm der Schrecken in die Glieder. Er ist ver loren! Er ist hoffnungslos verliebt. Es wird ihn den Kopf kosten, da ist er sich sicher.
     
     
     
    36
     
    Am nächsten Tag malt Henning verschlungene Ara bes ken auf seine Blätter.
     
     
     
    37
     
    Henning und Lars gehen in eine Kneipe. Sie setzen sich an einen Tisch in der Ecke, damit sie ungestört reden können. Ohne großartige Einleitung und in einem Ton, der signalisieren soll, dass es ihn so wahnsinnig nun auch wieder nicht interessiert, sondern eher den Charakter einer beiläufigen Information hat, die es der Vollstän dig keit halber noch einzuholen gilt, fragt Lars, ob es in der Stadt eine schwule Kneipe gibt, oder wie die sich kennen lernen, die Schwulen. Er belässt Henning im Status des Klassenkameraden und erkundigt sich über eine andere Gruppe, die

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