Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Brühl
Vom Netzwerk:
ja», gibt Steffen zu. «Mir ist aber was eingefallen: Hinter dem Gebüsch bei der Kapelle kann man durch gehen. Der Zaun geht nicht ganz bis an die Mauer. Viel leicht ist er da lang. Außerdem gibt ’ s noch zwei ver steckte Zugänge.»
    «Okay, lass uns da mal suchen. Da lern ich das auch mal kennen.»
    «Ich glaub nicht, dass die Bullen da gesucht haben. Es war halt ‘ ne Schlägerei, da machen die kein großes Auf heben.»
    Natürlich finden sie alles Mögliche, vor allem Müll. Ein paar benutzte Gummis — wenn der Täter vorher Sex gemacht hat, könnte man einen Gen-Abdruck erstellen las sen. Prima!
    Der Durchgang ist sehr eng. Lose Drahtenden vom Zaun ragen vor. An einem sind ein paar rote Fäden und vielleicht ein bisschen Blut. Kann man nicht so genau er kennen. Eine Socke, eine Unterhose. Ein Stadtplan von Hannover und einer jener Flyer der SIH, beides in schlech tem Zustand. Einen Schlüsselbund nehmen sie mit und legen ihn an eine gut sichtbare Stelle, falls noch je mand danach sucht.
    Steffen rekonstruiert die Fallgeschichte: «Der Täter hat sich erst von Leuten ficken lassen und dabei seine Unter hose verloren. Weil er Fußfetischist ist, hat er einem die Socke ausgezogen und in Ekstase in die Gegend gewor fen. Auf den Flyer der SIH sollte der beste Geschlechts partner des Täters seine Adresse schreiben und auf dem Plan von Hannover einzeichnen, wo er wohnt. Der Täter kennt Hannover nämlich nur von zwei Besuchen bei einer alten Tante, die noch dazu in einem Vorort lebt. Dann ist es dem Partner zu eng geworden, er wollte nicht mehr, dass der Täter ihn besuchen kommt. Vielleicht hatte er Mund geruch. Oder nein! Der Typ aus Hannover ist verheiratet. Weshalb sollte er sonst hierher kommen, um Sex zu machen? Dann ist er also getürmt, der Täter hinterher, auf der Flucht hat er sich eine Schramme am rech ten Oberarm geholt. Ein paar Fäden sind an den losen Draht enden hängen geblieben. Dann hatte der fünffach Gefickte schlechte Laune und der arme Lars war der Ers te, der ihm begegnet ist.»
    «Ja, ich glaube, so war es. Du bist so toll! Mein Steffen-Wolf!», sagt Henning grinsend und stellt sich vor einen Baum, seinen Schwanz gegen die raue Rinde gepresst. «Fick mich fünf Mal!», säuselt er.
     
     
     
    80
     
    «Warum bist du denn schon hier?», fragt Isas Mutter. «Ist was ausgefallen?»
    Wie gerne wäre Isabell jetzt in der Schule gewesen! Weil sie sich aber als schon großes Mädchen versteht, kann sie nicht auf den Boden sehen und rot werden. Des halb geht sie zum Angriff über und wirft der Mutter eben falls ein Versäumnis vor:
    «Und wie geht es mir? Vielleicht interessiert dich das?» Als sie sich die Situation überlegt, wird sie wirklich ent rüstet: Da fragt ihre Mutter, ob sie in der Schule war, und es ist ihr wichtiger als zu wissen, ob es ihrer Tochter gut geht! Das ist doch unerhört! Da ist die Leistung wichtiger als der Mensch! — Mensch ist in diesem Fall sie selbst.
    Isabell geht hinter ihr her. Sie weiß noch nicht, wie sie sich fühlt und ob sie jetzt weiterstreiten muss. «Gibt ’ s schon Mittag?»
    «Die Frau Tochter will essen!» Mama ist sauer, merkt Isabell.
    «Es riecht lecker!» Beide wissen, dass Linsen nicht lecker riechen. Die Mutter nimmt das Friedensangebot an.
    «Setz dich und iss was!», sagt Hannelore.
    Isabell sitzt. Der Teller mit Essen schwebt von rechts vor sie. Besteck kommt auch. Isabell isst. Sie hat keinen Hunger. Das kommt öfters vor.
    Die Mutter setzt sich zu Isabell und wartet.
    Und dann denkt sie: Ich liebe dich, I-sa-bell. Ihr Blick wird unscharf, und sie hat die Vorstellung, dass ihre Toch ter den Teller nach ihr wirft, zum Fester rausspringt und fortläuft. Das Bild der Tochter wird immer kleiner.
    «Es ist lecker!», sagt Isabell, obwohl sie nicht isst, wie jemand isst, dem es schmeckt. «Danke!», fügt sie noch hin zu.
    Hannelore holt sich auch einen Teller, halb voll. Wenn schlechte Stimmung herrscht, hat sie keine Lust zu essen. Sie isst normalerweise ein bisschen mit Isabell zusammen und ein bisschen mit ihren Mann zusammen. Viele kleine Mahlzeiten sind gesund. Wenn der Haussegen richtig schief hängt, isst Hannelore abends um zehn allein. Dann ist sie völlig ausgehungert und schlingt in sich rein, und es ist so gut wie Sex, nur ohne Orgasmus. Dafür aber un ge störter als Sex, wo man zu zweit ist und sich fragt, ob der andere auch kriegt, was er will. Hannelore isst. Essen muss man nicht befriedigen, man muss es

Weitere Kostenlose Bücher