Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
Besuch. Zwei. Sie sind im Wald.“
Mir
drehte sich alles. Warum ausgerechnet jetzt?
„Na,
worauf warten wir noch?!“, fuhr ich Nero an. Der packte mich am Ärmel und im
nächsten Moment standen wir mitten im Wald.
Ich witterte. Meine Nase
ist besser als seine. „Da lang“, sagte ich und zeigte ins Unterholz.
Nero
teleportierte sich alle paar Meter. Auf diese Weise war er zwar schneller, doch
es konnte ihm auch etwas entgehen. Ich verwandelte mich in eine Fledermaus und
zog Kreise über dem Wald. Bis ich auf einmal zwei Personen wahrnahm.
Ich
landete in den Ästen eines Baumes.
Hannah
und Jeremy. Meine Überraschung hätte nicht größer sein können, ebenso meine
Sorge. Was machten sie hier im Wald? Sie saßen auf einem umgekippten Baumstamm.
„Danke
für die Schuhe“, sagte Hannah und betrachtete ihre Turnschuhe. Ah, das musste
in dem ominösen Beutel gewesen sein. Wie fürsorglich.
Jeremy
hatte ihr seine Jacke übergelegt. Er hielt ihre Hand. Na die Dinge schienen
sich wohl auch ohne mein Zutun zu entwickeln. Doch nun war keine Zeit für
sowas.
Ich
flatterte hinter einen dicken Baum und verwandelte mich. In meiner menschlichen
Gestalt rannte ich auf die beiden zu.
„Wir
müssen weg von hier. Sofort!“
Sie
starrten mich erschrocken an. Natürlich, sie hatten nicht damit gerechnet, dass
jemand hier mitten im Wald auftauchen und sie stören würde.
„Keine
Zeit für Erklärungen“, drängte ich und zog die beiden mit. Ich witterte, doch
es schien sich niemand zu nähern. Ich betete, dass Nero die Eindringlinge
gefunden hatte und allein mit ihnen fertig wurde.
Wir rannten. Jeremy
stellte Fragen, nicht wenige beinhalteten Schimpfwörter, doch bald gab er auf.
Hannah sah sich ängstlich um. Sie schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte.
Mit einem Mal fing ich einen Duft auf. Wilde Rosen. Nein.
„Guten
Abend“, sagte eine sanfte Stimme hinter mir. Wir drehten uns um. Eine
rothaarige Schönheit stand vor uns. Olivia. Ihr schwarzes Kleid war schmutzig
und voller Risse, in ihren Haaren hingen Blätter.
Olivias
Augen waren rot. Blutrot. Die eines neugeborenen Vampires.
„Bleibt hinter mir“, rief
ich den anderen beiden zu.
„Du
hast mir das hier angetan“, sagte Olivia und sah mit einem Mal irre aus. „Du
und dein Freund, ihr habt das hier aus mir gemacht.“
Nero.
Er hatte sie nicht getötet. Er hatte Olivia in einen Vampir verwandelt. Aber
wieso?
Olivia
witterte. „Blut… Ich will Blut!“
Jeremy
umklammerte Hannah. Dann sah ich, wie sie schlotternd zu Boden ging.
„Hannah!“
Jeremy schüttelte sie. „Was ist los mit ihr?“ Er sah mich verstört an, doch ich
wandte meinen Blick wieder Olivia zu. Hatte sie den Vampirblick benutzt? Aber
das war unmöglich. Es dauerte Jahre, bis man ihn beherrschte. Kein Neugeborener
würde das können.
Der
Vollmond tauchte zwischen der Wolkendecke auf. Ich hörte Jeremy schreien und
sah nach hinten. Er war von Hannahs Seite gewichen und starrte sie an. Hannah
kniete auf dem Boden, die Augen blutunterlaufen. Sie bäumte sich auf. Etwas
bewegte sich unter ihrer Haut. Etwas, das kurz davor war, auszubrechen. Ihr
Kleid begann zu reißen. Nein!
Doch
der Schrei des Entsetzens blieb in meiner Kehle stecken. Jeremy sah panisch
aus. Eine Sekunde hielt er inne, gelähmt vor Schreck und Angst, dann rannte er.
Ich
rief ihm nach, doch er hörte nicht. Olivia konnte nicht mehr widerstehen und
verfolgte ihn. Ich hinterher. Sie hatte es auf ihn abgesehen. Ich rief nach
Nero, der sogleich an meiner Seite rannte.
Ich
wollte ihn fragen, ihn zur Rede stellen, für das, was er getan hatte. Aber es
blieb keine Zeit.
Jeremys
Leben hing davon ab.
Wir
stellten sie auf einer nahegelegenen Lichtung.
Olivia
hatte sich über ihn gebeugt, die Fangzähne ausgefahren. Ohne zu zögern sprang
ich auf sie zu und riss sie von Jeremy weg. Doch ich hatte nicht mit den
enormen Kräften gerechnet, die neugeborene Vampire entwickelten, wenn sie
durstig waren. Als wäre es ein Leichtes, schleuderte sie mich gegen den
nächsten Baum, doch bevor ich aufschlug, wurde ich gefangen.
Nero
umklammerte mich wie ein lebendiger Schutzschild und stöhnte auf, als sein
Körper statt meinem gegen den Bäum geschleudert wurde. Ich rappelte mich auf,
beugte mich über ihn und begann ihn zu schütteln, doch er hatte das Bewusstsein
verloren. Olivia grinste mich an.
Ich
sah, wie sich eine weitere Person der Lichtung näherte.
Der
zweite Vampir. Ein Mann mit blonden Haaren. Scheiße,
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