Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
waren Lysander, Caleb,
Dimitri und Nero auf der Suche nach ihr.
Bisher
erfolglos.
„Was macht der kranke
Hund?“, fragte Pandora eines abends spitz. Ich wusste, dass sie es kaum erwarten
konnte, Hannah und Jeremy wieder loszuwerden. Pandora war auf eine kühle Art
und Weise schön, das glatte hellblonde Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte, die
hellen Augen, die hohen Wangenknochen. Seit die beiden Wölfe in unserem Haus
wohnten, sah sie jedoch stets etwas verkniffen aus. Als hätte sie einen unangenehmen
Geruch in der Nase.
„Schläft
immer noch.“
Was
stimmte. Immerhin schlief er nun ruhig, nicht wie zu Beginn, als er immer
wieder aufgeschrien hatte, als sei er in den dunkelsten Alpträumen gefangen.
Nero hatte daraufhin sein Gedächtnis gelöscht, bevor er sich mit den anderen
auf die Jagd begeben hatte. Wie viel davon noch übrig war, würden wir wohl erst
erfahren, wenn er aufwachte. Oder besser gesagt, falls er aufwachte.
Niedergeschlagen kehrte
ich in mein Zimmer zurück. Dort lag Jeremy auf der Couch. Arme und Beine von
sich gestreckt wie ein erschlagener Käfer.
Doch
im Moment gehörte mein Mitleid nicht ihm, sondern Hannah. Stundenlang saß sie
einfach nur da, die geröteten Augen auf ihn gerichtet, in der Hoffnung, er
würde endlich die seinen öffnen. Hannah hatte ihre Brille im Eifer des
Gefechtes verloren. Das passiere ihr ständig, meinte sie.
Ohne
sah sie so anders aus. Fast wie auf dem Frühlingsball.
Sie
war schon irgendwie hübsch, mit ihrer kleinen Stupsnase. Ich setzte mich neben
sie auf die Kante der Couch und legte meinen Arm um sie. Eine traurige Hannah
war ein Anblick, den wohl niemanden kalt lassen konnte. Fast fühlte ich mich
wie Isobell, denn ich wünschte mir nichts mehr, als dass der Hund erwachte,
damit ich Hannahs Tränen nicht mehr mit ansehen musste.
„Lass
uns mal eine Runde um den Block gehen“, schlug ich ihr vor. Ich war zugleich
erstaunt als auch erleichtert, als sie nickte.
Draußen war es mild. Der
Frühling hatte sich scheinbar doch noch entschlossen, endlich ans Werk zu
gehen. Wir spazierten einen ausgetretenen Waldweg entlang und beobachteten die
ersten neuen Blüten des Jahres.
Ich
versuchte mir krampfhaft ein belangloses Thema aus dem Hirn zu saugen, doch
immer wieder dümpelte Jeremy durch meinen Kopf, gefolgt von Olivias
rotglühenden Augen. Es musste doch etwas geben, womit ich sie ablenken konnte.
„Also“,
begann ich, die Hände tief in meinen Hosentaschen vergraben, „ich hab
mittlerweile alle Bücher gelesen, die ich von dir hab.“
Hannah
blickte auf. „Wirklich? Alle?“
„Ich
schwöre. Kannst mich gerne abfragen!“
Sie
überlegte. „Die Rache des Professors. Auf welche Weise tötet Bruder Franziskus
den Wissenschaftler Doktor Blaine?“
Ich
lächelte triumphierend. „Mit einer Armbrust und einem vergifteten Pfeil. Und
dann stirb der Idiot selbst, weil er vergisst die Armbrust zu sichern und sie
bei einem Erdbeben von allein losgeht. Das war sowas von unrealistisch.“
Hannah
nickte anerkennend. „Das stimmt. Oder die Szene, in der der Abt dieser
Journalistin mit einem heißen Löffel den Augapfel entfernt.“ Sie schauderte
wohlig.
Ich
stimmte ihr zu. „An der Stelle hab ich so angefangen zu lachen, ich hab mich einfach
nicht mehr eingekriegt.“
Ohne
es zu merken, waren wir immer tiefer in den Wald vorgedrungen. Ab hier gab es
keine Pfade mehr, sondern nur noch Wildnis.
Hannah
blieb stehen. Sie hielt so plötzlich an, dass ich gegen sie stieß.
„Hast
du schon mal einen Menschen getötet?“
Ich
erstarrte. Sie sah so ernst aus.
„…
Ja“, gestand ich. „Zwei.“
Sie
sah mich an. Verletzt, enttäuscht und irgendwie ängstlich.
„Es
war ein Unfall“, beeilte ich mich zu sagen. „Es war kurz nach meiner
Wiedergeburt als Vampir. Ich war ein ausgehungerter Neugeborener. Ich… ich
konnte nicht anders. Es ging alles so schnell.“
Ich
hatte meine Erinnerungen an diesen Vorfall lange verdrängen können, doch kaum
fing Hannah davon an, sah ich es wieder vor mir. Die junge Frau. Das Kind in
ihrem Kinderwagen. Und der kleine Stoffteddybär, der ganz rot war von ihrem
Blut.
„Also
bereust du es.“
„Natürlich
bereue ich es! Wie könnte ich nicht?“
Hannah
sah zu Boden. Wenn ich doch nur wüsste, was in ihrem Kopf vorging.
„Warum
fragst du mich sowas?“, wollte ich wissen.
„Ich
hasse Vampire“, murmelte sie. Ihre Hände verkrampften. „Ich hasse sie. Sie sind
wie Tiere.“
„Sagt
der
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