Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, sie so ganz allein
dort sitzen zu lassen, aber mir fehlte jede Kraft, Kaylen zu widerstehen. Warum
machte ich mir überhaupt Sorgen? Das war doch schließlich der Plan.
Kaylen und ich tanzten.
Langsam bekam ich den Bogen raus. Ich lief zu meiner Hochform auf. Machte
dämliche Bewegungen, nur um sie zum Lachen zu bringen. Die Stimmung kochte. Ich
war ausgelassen. Mein Glück perfekt.
Dann
spielten sie plötzlich ein langsames Lied und mich überkam wieder das
unangenehme Gefühl, dass meine Krawatte zu eng saß. Kaylen sah sich schüchtern
um. Wieder fanden sich Pärchen zusammen. Keine Hannah in Sicht.
„Wollen
wir?“, fragte sie zaghaft.
Anstatt
zu antworten, nahm ich ihre Hand. Wir tanzten langsam und mit Abstand. Ihr
Geruch ließ mich schwindeln. Tief sog ich ihn ein. Ich schmiegte mich enger an
sie, doch mit einem Mal schob sie mich von sich.
„Henry“,
sagte sie und klang bekümmert, „du hast Hannah und ich… ich hab Nick. Das wäre
nicht fair, ihnen gegenüber, verstehst du?“ Sie schien durcheinander.
Ich
nickte hastig. „Ja, natürlich. Dumm von mir. Entschuldige.“ Ich versank ganz in
ihren blauen Augen. Sie sah aus, als wollte sie noch etwas sagen, doch
stattdessen wand sie sich zwischen den restlichen Pärchen hindurch und
verschwand.
Ich
stand da, von knutschenden Pärchen umzingelt, und sah ihr nach. Ich hätte sie
zurückhalten müssen. Am Arm packen, einfach küssen und für immer festhalten.
Aber keinen Wimpernschlag später war der Moment verstrichen und ich verließ die
Tanzfläche allein und mit gemischten Gefühlen. Mein Blick schweifte durch die
Gegend, als ich mich zu Hannahs Tisch aufmachte.
Es
traf mich wie ein Schlag, als ich Jeremys Gesicht zwischen denen meiner
Mitschüler entdeckte. Was machte er hier? Und warum trug er einen Anzug? Sein
Blick fand und durchbohrte mich beinahe. Er kam auf mich zugeschossen.
„Wo
ist sie?“ Kurz angebunden und unfreundlich wie üblich.
„Kein
Hallo? Schön dich zu sehen?“
Jeremy
knirschte mit den Zähnen. Fast sah es aus, als würde er knurren. Mann, hatte
der wieder eine Laune.
Ich
deutete in die Richtung von Hannahs Tisch und schon war er weg. Unentschlossen
trank ich noch einen Punsch an der provisorischen Bar. Sollten die beiden ruhig
einmal allein miteinander sein. Hannah hatte es verdient.
Keine
fünf Minuten später kam Jeremy wieder zurück, mit einem Ausdruck, der mich
Schlimmes ahnen ließ. Ich verschluckte mich.
„Da
ist sie nicht.“ Erst jetzt fiel mir auf, dass er einen Beutel in der Hand
hielt. Was da wohl drin war?
Ich
zuckte mit den Schultern. „Dann kann ich dir auch nicht weiterhelfen.“
Wortlos
verschwand er.
Kapitel 12
Grüne Augen sind gefährlich
Ungeduldig trippelte ich
mit den Füßen. Alle hatten sie Reißaus genommen und ich stand allein an der Bar
und versuchte mir einzureden, dass der Punsch für das ungute Gefühl in meinem
Bauch verantwortlich war. Was natürlich Quatsch war, denn ich tat ja nur so,
als würde ich trinken. Ich angelte mein Handy aus der Hosentasche.
Halb
zwölf.
Die
Halle begann sich langsam zu leeren. Vielleicht sollte ich Jeremy bei der Suche
nach Hannah helfen? Ja, das war wohl keine schlechte Idee. Wenn jemand Hilfe
brauchte, dann diese beiden.
Außerdem
warf mir Cathy Fitzpatrick, ein übergewichtiges Mädchen in einem rosa Kleid,
ständig diese sehnsüchtigen Blicke zu, als hoffte sie, von mir über die
Tanzfläche geschoben zu werden.
Auf
leisen Sohlen machte ich mich aus dem Staub.
Meine Suche führte mich
einmal quer durch die ganze Halle und schließlich nach draußen vor die Tür.
Dort hielt gerade Coach Punch einem Mädchen eine Gardinenpredigt über
Zigaretten. Vermutlich hatte er sie beim heimlichen Rauchen erwischt. Meine
Schritte führten mich weiter weg von der Halle. Ich atmete durch. Mein Atem
bildete kleine Wölkchen in der Luft. Die Straßenlaternen warfen gelbe Kreise
auf den Boden. Wo würde ich hingehen, wenn ich die Brillenschlange wäre? Denk
nach! Mir blieb nicht einmal Zeit, mir Gedanken zu machen, da tauchte
unverhofft Nero vor mir auf. Auch wenn ich sonst auf sein plötzliches
Erscheinen gefasst war, diesmal erschrak ich mich fast zu Tode.
„Scheiße,
was soll das?“ Zum Glück war kein Pulshaber in der Nähe. Doch Nero zeigte nicht
seinen üblichen, süffisant-überheblichen Gesichtsausdruck. Seine Augen suchten
rastlos die Gegend ab.
„Was
ist passiert?“, fragte ich.
„Wir
haben
Weitere Kostenlose Bücher