Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
zurückverwandelte, wurde ihr Heulen zu einem Schrei.
„Jeremy!“
Sie wickelte sich in die Decke ein und robbte auf ihn zu. Tränen sammelten sich
in ihren Augen. Sie strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Plötzlich erstarrte
sie. „Sie hat ihn gebissen!“
Nero
stand ungerührt daneben, als wäre er gerade von einem Spaziergang
zurückgekehrt.
„Und?“,
fragte er gelangweilt.
„UND?!“
Hannah sah ihn entgeistert an.
Ich
versuchte zu erklären. „Menschen werden nicht automatisch Vampire, nur weil sie
gebissen werden. Dafür muss man das Blut eines Vampires trinken.“
Hannah
schüttelte den Kopf. „Jeremy ist kein normaler Mensch.“
Jetzt
verstand ich gar nichts mehr.
Sie
schluchzte. „Er ist ein Werwolf, wie ich. Nur ist es bei ihm noch nicht
ausgebrochen. Er… er weiß es noch nicht. Aber es ist in ihm.“
„Deswegen
ist sein Blut Olivia nicht bekommen…“
Ich
sah Jeremy an.
Für Werwölfe
sind Vampirzähne giftig, ebenso wie für uns der Biss eines Werwolfes. Bei
Jeremy war der Fall ungewiss. Er hatte sich noch nie verwandelt; roch wie ein
gewöhnlicher Mensch. Doch in ihm floss das Blut seiner Vorväter. Ich hätte es
wissen müssen. Die Kraft, mit der er meine Faust gestoppt hatte, die ständige
Reizbarkeit.
Nun
war nicht mehr viel von seinem Temperament übrig. Sein Anzug war dreckig, an
seinem Hals waren zwei tiefe Einkerbungen zu sehen. Würde er Olivias Attacke
überleben? Hannah hielt seine Hand. „Das war alles meine Schuld …“
Mir
fehlten die Nerven um sie zu beruhigen.
Mein Kopf tat weh. Ich
bemühte mich, meine Gedanken zu ordnen. „Wo sind eigentlich Kassia und die
anderen?“
„Bei
Veda, im Norden. Außerhalb meiner Reichweite“, sagte Nero. Veda war die
Anführerin eines Vampirclans, auf der anderen Seite des Berges, der Spoon von
Cutlery trennt. Mit dem Auto war das eine Tagesreise. Vermutlich waren die
anderen in Fledermausgestalt geflogen.
„Pandora
hat mich angerufen und gesagt, dass sie die Präsenz fremder Vampire in unserer
Nähe gespürt hätte.“
„Tja,
offensichtlich hatte sie recht.“
Ich
knöpfte mein Hemd auf und rieb meinen geschundenen Hals. Er war schon fast
geheilt. Trotzdem spürte ich noch genau, wo die Krawatte mich gewürgt hatte.
Dieser verdammte Dreckskerl. Nun war er tot. Toter als untot. Kopflos. Futsch.
Ich
sah das Bild seines Kopfes vor mir. Die Fratze mit den aufgerissenen Augen. Ich
hatte nie Spaß am Töten empfunden. Es widerte mich an.
„Was
wird jetzt aus Olivia?“
Nero
überlegte. „Ich werde die anderen anrufen. Wir werden Jagd auf sie machen müssen.“
„Warum
hast du sie überhaupt in einen Vampir verwandelt?“ Die Frage hatte mir die
ganze Zeit auf den Lippen gebrannt. Wieso?
Nero
zuckte bloß mit den Schultern. In diesem Moment hätte ich ihn am liebsten
geschlagen, mitten ins Gesicht. Wie konnte jemand so kalt und gleichgültig
sein? So unbedacht, was die Konsequenzen betraf?
Hannah
hielt noch immer Jeremys Hand.
Ich
grollte. Wenn er starb, würde ich Nero dafür persönlich zur Rechenschaft
ziehen.
Kapitel 14
Glitzer Glitzer
Als Kassia und die anderen
Zuhause ankamen, hatte ich einige Dinge zu erklären. Niemand aus meiner Familie
mag Werwölfe. Nett ausgedrückt.
Zwischen
ihnen und uns herrscht eine tiefverwurzelte Rivalität, auch wenn mir niemand
genau erklären konnte, wieso. Ich weiß nur, dass es in der Vergangenheit wohl
einige Kriege um die endgültige Vorherrschaft gegeben haben muss.
Missverständnisse und die Taten Einzelner hatten sich über die Zeit hinweg zu
einem Berg summiert, den nun keiner mehr überblicken konnte. Da wir Vampire
potenziell unsterblich sind, ist es wohl nicht verwunderlich, dass man wegen
Dingen, die fast vierhundert Jahre her sind, ziemlich nachtragend ist. Dass ich
zwei von ihnen plötzlich meine Freunde nannte, sorgte dementsprechend für
Verwunderung.
Gut,
im Normalfall würde ich Jeremy nicht als meinen Freund bezeichnen, aber für
einen Bekannten, der mir tierisch auf die Nerven geht würden die anderen
sicher keine Ausnahme machen. Besonders Pandora rümpfte abfällig die Nase, doch
ich konnte Kassia das Versprechen abringen, dass sie eine Woche lang bleiben
durften.
Drei
Tage vergingen, ohne dass bei Jeremy Anzeichen einer Besserung zu erkennen
gewesen wären. Hannah wich keine Sekunde von seiner Seite. Sie war nicht die
Einzige, die sich allmählich Sorgen machte. Was wenn Jeremy sich nie erholte?
Wenn Olivia zurückkam um Rache zu nehmen? Zurzeit
Weitere Kostenlose Bücher