Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
außergewöhnliche Kräfte.
„Was
sie wohl für eine Gabe bekommen wird?“, fragte eine Vampirdame in einem
goldenen Kleid ihre Zwillingsschwester in Silber. Die verzog das Gesicht. „Nun,
es sollte besser etwas Nützliches sein. Besonders hübsch ist sie nämlich
nicht.“
Neid
troff wie Öl von ihrer Stimme. Ich empfand zunehmend Mitgefühl für Emilia. Doch
ihr Schicksal war besiegelt. Ich konnte ihr nicht helfen. War nur für sie zu
hoffen, dass es schnell vorbei war. Plötzlich änderte sich die gesamte Atmosphäre
im Raum. Anspannung.
Dieser
Geruch war uns allen vertraut.
Vier
Männer in schwarzen Fräcken trugen Tabletts mit Kristallgläsern hinein. Der
Blutgeruch machte nicht nur mich unruhig. Schnell wurden die Gläser verteilt.
Ich
betrachtete mein eigenes mit zunehmender Hingabe. Dieses Blut roch wahrlich
köstlich. Mein Durst ließ sich kaum mehr aushalten.
„Und
nun meine Freunde, erhebt euer Glas mit mir. Auf Emilia.“
„Auf
Emilia“, antwortete das mehrstimmige Echo und alle Vampire stürzten sich gierig
das rote Getränk in den Rachen.
Die
Anspannung wich Ausgelassenheit. Ein Streichquartett begann zu spielen. Blut
hat auf uns eine ähnlich berauschende Wirkung wie Alkohol, sodass schon bald
getanzt und gelacht wurde.
Endlich
fand ich auch meine Familie in dem Getümmel. Sie standen an den Rand gedrängt
bei den Sofas. Isi und Caleb schwangen das Tanzbein, während Kassia und Dimitri
sich mit einigen anderen Gästen unterhielten.
Die
Einzige, die die Party nicht zu genießen schien, war Pandora.
„Sie
hat sie nicht eigeladen! Wie kann sie nur?“
„Wen
denn?“, fragte Lysander.
„Meine
Schöpferin, Lucille. Veda hat sie nicht eingeladen!“
„Vielleicht
hatte sie etwas anderes vor“, versuchte Lysander sie zu beruhigen, doch es war
sinnlos. Wenn Pandora einmal in Fahrt war, dann wetterte sie den ganzen Abend
lang.
Die
meisten Vampire haben eine enge Verbindung zu ihrem Schöpfer. Oft sind es die
eigenen Partner, manchmal enge Freunde und Mentoren, die einen über
Jahrhunderte begleiten.
Ich
angelte mir ein weiteres Glas von einem vorbeigehenden Kellner. Für einen
Moment war ich verwirrt, als ich Antonio von eben wiedererkannte. Warum spielte
er hier den Diener? Gehörte er nicht zu Vedas Familie?
„Er
ist ihr Schoßhund“, antwortete die Stimme eines Mannes. Offensichtlich ein
Gedankenleser. Ich drehte mich um – und ließ vor Schreck mein Glas fallen.
„Nicht
doch, der gute Tropfen“, meinte der Mann gedehnt.
Mich
durchfuhren eiskalte Schauer. Veda mochte Pandoras Schöpferin nicht eingeladen
haben, dafür stand der Name meines Schöpfers offensichtlich auf der Gästeliste.
„Antoine“,
flüsterte ich.
„Mathurin“,
sagte er und nickte. „Wie lange ist das jetzt her? So etwa hundert Jahre?“
Antoine
hatte dunkelblondes, schulterlanges Haar, das er in einem Zopf zurückgebunden
hatte. Seine strahlend blauen Augen schienen mich komplett zu durchleuchten.
Ich
versuchte meine Gefühle im Zaun zu halten, nichts zu denken, doch meine Mimik
verriet mich.
„Was?
Nicht erfreut mich zu sehen? Das kränkt mich jetzt aber. Du solltest mir
dankbar sein, Mathurin. Ich habe dir ein zweites Leben geschenkt.“
„Du
hast mich umgebracht“, zischte ich. Es gibt wenige Lebewesen auf diesem
Planeten, die ich wirklich abgrundtief verabscheue. Antoine führte diese Liste
als unumstößliche Nummer eins an.
„Nun,
das ist ungefähr das Selbe, oder nicht?“, meinte er leichthin.
„Du
hast mir meine Schwester genommen, ihr das Herz gebrochen als du ihrer
überdrüssig warst. Hast sie nach Strich und Faden betrogen. Erwartest du etwa,
dass ich dir dankbar bin?!“
Meine
Knöchel verkrampften. Keine Ahnung, ob es Vampire gibt, die den Todesblick
beherrschen, doch in diesem Moment wäre ich zu gerne einer von ihnen!
Antoine
schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Du hast in all den Jahren nichts dazu
gelernt. A propos, wo ist die Gute denn?“
Er sah
sich um und entdeckte Isobell, die noch immer mit Caleb tanzte. Oh, wie musste
er sich wichtig vorkommen, dass er einfach so zu ihnen hin spazierte und Caleb
auf die Schulter klopfte. „Darf ich abklatschen?“
Ohne
eine Antwort abzuwarten, umfasste er Isis Hüfte.
„Guten
Abend, Catherine“, flüsterte er.
Isi
war vor Schreck wie gelähmt. „Du!“, stieß sie mit einem Mal hervor und warf
einen hilfesuchenden Blick zu Caleb. Der stand seinen Mann und befreite Isi aus
Antoines Umklammerung.
Antoine
tat als
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