Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
über Weiß.
Ihre
Zähne blitzten im Fackelschein, ehe sie sich in Emilias nackten Hals bohrten.
Veda trank.
Mit
jedem Schluck sah man höchste Verzückung in ihrem Gesicht. Absolute
Befriedigung.
Ob ich
wollte oder nicht, beinahe fühlte ich es selbst. Als wäre ich Derjenige, der
Emilias Blut trank und der von warmer Euphorie erfüllt wurde.
Der
Geruch ihres Blutes verteilte sich in der Gegend.
Nur
die vielen Liter, die man den Gästen verabreicht hatte, hielten die ganze Schar
davon ab, sich auf Emilia zu stürzen und sie auf der Stelle zu zerfleischen.
Doch
das hier war kein gemeinsames Picknick, kein vampirisches Lustspiel, in dem das
Töten von Opfern mit den Freuden des Körpers verbunden wird. Blutorgien, wie
man sie nennt, bei denen sich die perfekten Vampirkörper gegenseitig liebkosen,
während sie vom Blut ihrer halbtoten Opfer bedeckt sind.
Dies
war eine zweite Geburt. Ein fast heiliges Ereignis.
Veda
zog den Akt des Tötens hin, so lange, dass es fast zur Qual wurde, dabei
zuzusehen, nur um ihre eigene Lust zu steigern. Schließlich war es doch soweit.
Emilias Herz hatte aufgehört zu schlagen. Der Tod kam leise, schmerzlos.
Die
Vampiranwärterin war ins Reich der Schatten hinübergeglitten ohne etwas zu
spüren. Doch sie würde wieder fühlen, und wie sie das würde. Die plötzliche
Stille legte sich wie Watte auf meine Ohren.
Wenn
Veda nicht bald handelte, war Emilia auf ewig verloren. Das Zeitfenster, in dem
ein Toter zu neuem Leben erweckt werden konnte, war auf wenige Minuten
begrenzt.
Mit
einer zufriedenen Geste wischte sich Veda Emilias Blut vom Mund und biss
schließlich in ihre eigene Pulsschlagader am Handgelenk. Graues But tropfte in
Emilias offenen Mund.
Die
Sekunden zogen sich dahin. Nichts passierte.
Keine
Rührung, gar nichts.
War es
zu spät? Hatte Veda zu lange gezögert?
Fast
wäre es Emilia zu wünschen.
Nein,
denn plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper!
Veda
trat zurück. Aus Sicherheitsgründen.
Emilia
krampfte, ihr Körper schüttelte sich unnatürlich heftig, als sei sie von einem
bösen Geist besessen.
Die
Handschellen schlugen klirrend auf den Stein, ihr Körper bäumte sich auf.
Emilia riss ihre Augen auf. Sie waren von einem solch glühenden Rot, dass sie
mich blendeten.
Dann
begann die Verwandlung.
Rote
Funken tanzten über ihren Körper und versanken in ihrer Haut. Sie heilten jede
Wunde. Ließen jeden kleinen Makel, sei es ein Muttermal oder eine Narbe, einfach
verschwinden. Doch einfach schien es trotz allem nicht zu sein, denn Emilia
schrie nun aus Leibeskräften.
Erst
war es nur unverständliches Gestammel, doch dann rief sie „ Tötet mich !“
und ihr Hilferuf hallte über das ganze Gelände. Die anderen Beobachter schien
ihr Leiden vollkommen kalt zu lassen. Ich sah mich nach meiner Familie um.
Kassias Gesicht war wie in Stein gemeißelt, doch ich konnte erkennen, dass sie
Dimitris Hand umklammerte. Das gleiche Bild bei Pandora und Lysander. Isobell
war nicht zu sehen. Als Empathin wäre es reiner Selbstmord, sich hier
aufzuhalten. Sie war vermutlich mit Caleb im Salon zurückgeblieben. Dann
erblickte ich Nero und begann ihn noch mehr zu verabscheuen als sonst.
Nero
lächelte. Er lächelte sein sadistisches Lächeln, die Augen vor Begierde
geweitet. Auch wenn ich Antoine nicht in der Menge ausmachen konnte, so war ich
fast sicher, denselben Ausdruck auf seinem Gesicht finden zu können. Ich selbst
wusste nicht, wohin ich meinen Blick noch wenden sollte, denn Emilias
Schmerzensschreie waren so ohrenbetäubend, dass mir schlecht wurde.
Doch
plötzlich verstummten ihre Schreie und ich hob den Kopf. War es vorbei? Hatte
sie die Verwandlung überstanden?
Emilias
ganzer Körper strahlte in vollkommener Perfektion. Ihre Haut hatte die Farbe
von Elfenbein, ihr Haar war voller und glänzender als zuvor. Im Vergleich zu
dem Anblick, den sie nun bot, schien ihr altes Ich plump und unscheinbar.
Als
wäre es ein leichtes, befreite sie sich von ihren Fesseln. Auf dem Stein
stehend, in ihrem weißen Kleid, das im Abendwind wehte, sah sie aus wie ein
Engel.
„Dein
Name“, sagte Veda und schien beinahe gerührt, „ist Angeline.“
Angeline
schloss die Augen. Dieses Gefühl war etwas, an das ich mich erinnerte. Als
Antoine mir meinen Namen zugeflüstert hatte, war mir sein Echo tausendfach im
Kopf nachgehallt. Es kam mir vor, als wäre mein altes Leben bloß ein Traum.
Dass das Gefühl nicht lange anhielt, versteht sich von selbst.
Die
Gäste
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