Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
hielten die Luft an. Der Anblick der neugeborenen Angeline hatte etwas
Magisches. Doch dann kam wieder Unruhe auf. Eine Gruppe Menschen lief auf
Angeline zu. Durch die Kontrolle des Vampirblickes ihres Willens beraubt.
„Für
dich, meine geliebte Tochter“, sagte Veda.
Fast
wahnsinnig vor Durst sprang Angeline auf sie zu. Sprang über die Menge bestimmt
fünf Meter hoch über unsere Köpfe. Es ging so schnell, dass ich kaum etwas
erkannte.
Angeline
zerfetzte die Pulshaber. Blut spritzte in der Gegend umher und verwandelte die
schöne Angeline in einen blutgetränkten Todesengel. Nun war der Bann, der die
Gäste in Zuschauer verwandelt hatte, gebrochen. Nacheinander stürzten sie sich
in ihrer schicken Abendgarderobe auf die betäubten Menschen und rissen sie in
Stücke.
Ich
sah Veda, wie sie einem Mann den Kopf abriss und ihn wie eine Trophäe in die
Luft streckte, einen Schrei gleich dem einer Amazone ausstoßend.
Zum
ersten Mal in meinem Leben als Vampir konnte ich so viel Blut widerstehen. Ich
war wie paralysiert. Angewidert.
Scham
und Ekel überkamen mich. Ich musste hier weg. Sofort. Aber wie?
Kapitel 35
Gefallener Engel
Natürlich wusste meine
Schwester sofort was mit mir los war, als ich den Salon betrat.
Sie
musste nicht einmal in die Nähe meiner Aura kommen.
Mein
Gesichtsausdruck musste für sich sprechen, denn sie kam aufgelöst auf mich
zugerannt.
„Oh
Mathurin.“ Isi sah gequält aus.
Ich
wollte sie beruhigen. Sagen, dass es mir einigermaßen gut ging, doch da brach
Isobell plötzlich in Tränen aus, und ich verstand.
Sie
weinte nicht meinetwegen. Ich kleiner Egoist hatte nicht mal in Erwägung
gezogen, dass Isi mal ausnahmsweise von ihrem eigenen Gefühlsleben gebeutelt
wurde.
„Caleb
ist fort“, flüsterte sie und starrte mich an. „Er ist einfach gegangen.“
Verdammt.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Meinen eigenen Abgang musste ich wohl
vorerst verschieben. Isi brauchte mich jetzt.
Und
Caleb,… ich verstand ihn. Isi hatte nichts gesagt, nachdem Antoine behauptet
hatte, dass sie ihn noch lieben würde. Kein Wunder, dass ihr Partner deswegen
verletzt war.
Es kam
nicht oft vor, dass Isi anderen wehtat. Und dass es mir so schwer fiel, sie in
Schutz zu nehmen.
„Stimmt
es?“, fragte ich. „Liebst du Antoine noch?“
Isobell
sah mich an. Auch wenn ich weder Empath noch Gedankenleser bin, so sah ich die
Antwort doch in ihren Augen und erschauderte. Doch kurz darauf wurde unsere
traute Zweisamkeit gestört, denn nun strömten die anderen Gäste wieder in den
Salon, angeführt von Veda.
Sie
sahen aus, als hätten sie an der spanischen Tomatina, der riesigen
Tomatenschlacht in Valencia, teilgenommen. Über und über mit rotem Saft
bekleckert. Mit dem kleinen Unterschied, dass man bei dem Geruch, den sie
ausströmten, eher an Tod als an Pasta dachte.
„Es
gibt 20 Bäder. Dort liegt frische Kleidung bereit. Folgt mir, meine Freunde.“
Die
ach so feinen Herrschaften schlurften der Gastgeberin hinterher. Kaum mehr so
vornehm und graziös wie zuvor, verdreckt, mit abgebrochenen Absätzen und
zerschlissenen Kleidern, dafür aber mit Gesichtern, die absolute Glückseligkeit
zeigten.
„Was
ist das für ein Geräusch?“, fragte Isi, als die Gäste sich in Richtung der
Bäder verstreut hatten.
Ich
lauschte. Klang fast wie ein… Wimmern. Konnte das sein?
Wir
liefen nach draußen, dem Geräusch hinterher.
Uns
bot sich ein Bild des Elends. Der Platz um den schwarzen Marmorblock war mit
Leichenteilen angefüllt. Angeline saß in ihrer Mitte, Gesicht und Kleid in das
Blut der Toten getaucht. Apathisch wippte sie hin und her, die Arme um ihren
schmalen Leib geschlungen, als ob sie Angst hätte, jeden Moment zu zerspringen.
Zuvor behandelt wie eine Königin auf ihrem Thron, so wirkte sie nun wie ein
Kind, das man einfach vergessen hatte. Allein und verloren.
Ich
dachte an Antoines Worte. Er ist ihr Schoßhund, hatte er gesagt. Sollte es nun
Angelines Schicksal sein, diesem traurigen Beispiel zu folgen? War sie eine
Puppe, an der Veda sich kurz erfreut und die nun ihren Zweck erfüllt hatte? Ich
ignorierte Isis warnenden Rufe und näherte mich Angeline vorsichtig.
„…
warum… Warum? Wie konnte ich… Alle tot… Meine Schuld…“, stammelte sie
zusammenhangslos.
Ich
kniete mich zu ihr runter, die Hand auf ihre gelegt.
„Es
ist vorbei“, flüsterte ich. „Es ist vorbei.“
Da hob
Angeline ihr Gesicht und die Intensität ihres Blickes riss mich beinahe von
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