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Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)

Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)

Titel: Henry - Das Buch mit Biss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Day
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Jungspund
bezeichnen, doch da fiel mein Blick auf die Gestalt, die im Chorraum saß und
uns anstarrte. Ohne es zu wollen, starrte ich zurück.
    „Kommt
näher“, rief sie. Durch das Echo klang ihre Stimme recht beeindruckend. Klar,
kühl und voller Autorität.
    Unsere
Schritte hallten von den Wänden wider, als wir uns ihr näherten. Die Frau auf
dem Thron hatte ein Bein elegant über das andere geschlagen (das fiel schon von
Weitem auf, da sie ein hochgeschlitzes Kleid trug), ihre Arme ruhten gelassen
auf zwei reichlich verzierten Armlehnen.
    „Severin“,
murmelte Ethan und kniete sich auf den Boden. Eine solche Art der
Demutsbekundung war mir neu. Besonders von Ethan. Ich kam mir etwas dämlich
vor, weil ich der Einzige war, der nicht seinem Beispiel folgte. Aber warum
sollte ich auch vor einer Hündin einen Kniefall machen? Ich hätte viel eher die
Arme verschränken und spöttisch schauen sollen. Doch das traute ich mich nun
auch wieder nicht. Also stand ich einfach da, und versuchte ihr ins Gesicht und
nicht auf die langen Beine zu sehen.
    Ihre
Haut hatte einen leichten Bronzeton. Für meine Augen, die fast nur Blässe
gewohnt waren, wirkte sie anregend exotisch. Severins Augen hatten einen
ungewöhnlichen Veilchenton. Mit diesen betrachtete sie mich ganz genau.
    Mir
wurde zugleich heiß und kalt.
    „Ist
das der Vampir?“, fragte sie an Ethan gewandt. Der erhob sich und schüttelte
den Kopf, den Blick zu Boden gesenkt. „Der Schuldige wartet draußen.“
    Ich rümpfte
die Nase. Der Schuldige…
    Die
Anführerin des Wolfsrates nickte kaum merklich.
    Es
fiel mir schwer, ihr Alter zu schätzen. Einerseits wirkte sie wie eine junge
Frau, andererseits umgab sie etwas Weises, Erhabenes, das mich verwirrte.
    Severin
zwirbelte gedankenverloren ihr kinnlanges, schwarzes Haar. „Sag mir, Ethan, wie
sehe ich aus?“
    Ich
runzelte die Stirn. Was war das denn für eine blöde Frage? Sie schien nicht die
Art von Frau, die es nötig hatte, sich Komplimente machen zu lassen.
    „Fällt
dir irgendeine Veränderung an mir auf?“
    Ethan
blickte kurz auf. „Ihr seht… fantastisch aus, wie immer“, meinte er demütig.
    Doch
diese Antwort schien sie nicht zufrieden zu stellen.
    „Sieh
genau hin!“, befahl sie.
    Der
Rudelführer betrachtete sie nun ausführlicher und seine Züge zeigten Erstaunen,
ja beinahe Entsetzen.
    Nun
lächelte Severin. Es war ein Lächeln, das in seiner Wirkung dem von Nero
erstaunlich ähnelte.
    „Ganz
recht, mein Geliebter.“
    Ich
stutzte. Ethan mochte gut und gerne Anfang Dreißig sein, vielleicht noch älter.
Severin hingegen wirkte wie eine Zwanzigjährige.
    Ehe
Ethan etwas darauf erwidern konnte, wies Severin ihn an, „den Schuldigen“
vorzuführen. Während die anderen Hunde sich schnell aus der Halle entfernten um
Nero zu holen, stand ich also ganz allein vor Severin. Und schluckte.
    Etwas
unbehaglich ließ ich meinen Blick schweifen. Überall waren Reste der einstigen
Kirche zu erkennen. Zwei überdimensionale Engelsfiguren aus weißem Marmor
standen hinter Severins Thron, sodass es aus meiner Perspektive fast so aussah,
als hätte sie zwei steinerne Schwingen.
    „Ihr
Vampire seid schon erstaunlich“, meinte sie. Der Klang ihrer Stimme ließ mich
zusammenzucken, als sie sich mich so ganz vertraulich ansprach. „Keine Sorge,
junger Mann, ich werde dir nichts tun. Du bist bloß hier, damit dein Freund
keinen Fluchtversuch plant.“
    Ich
wollte schon erwidern, dass man bei Nero nie wusste, doch ich besann mich eines
Besseren.
    „Was
geschieht nun mit ihm?“
    Severins
unergründliche Augen trafen meine. „Wir werden ihm sein Leben nehmen, so wie er
das Leben dieser jungen Frau genommen hat. Euer Rat verbietet es, ohne
Erlaubnis neue Vampire zu schaffen. Das solltest du eigentlich wissen.“
    Das
sagte sie in einer so selbstverständlichen Weise, als hätten wir gerade eine
kleine Plauderei über die richtige Pflege für Geranien.
    Ich
zuckte zusammen, denn im selben Moment hörte ich das widerlich quietschende
Geräusch eines Karrens, der über den Steinboden gezerrt wurde. (Scheinbar
gehört sowas zur allgemeinen Werwolf-Ausstattung, den Ethan hatte seinen im
Wald neben der Holzhütte stehen lassen.)
    Nero
funkelte Severin an. Die lächelte und zog einen langen goldenen Dolch aus einer
versteckten Klappe in der Armlehne ihres Thrones. Mit katzenhaftem Schritt lief
sie auf ihn zu. Einen Moment war ich überrascht, nicht das Klackern von
Absätzen zu hören, doch dann fiel mein Blick

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