Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
auf ihre Füße (die mir vor lauter
Beinen wohl entgangen waren). Severin war barfuß.
Jeremy,
Grace und Logan wuchteten Neros Käfig samt dessen Inhalt vom Karren zu Boden.
Die Oberste des Wolfsrates umkreiste Nero, während ihre Fingerspitzen über die
Gitterstäbe tanzten.
Nero
feixte. „Wozu denn der Dolch, meine Liebe? Glaubst du, dass du sonst nicht mit
mir fertig wirst?“
Selbst
in einer solchen Situation musste Nero anfangen zu flirten.
„Ganz
im Gegenteil“, meinte Severin gelassen und griff nach Neros Kinn. Einen
irrsinnigen Moment lang glaubte ich, dass sie ihn küssen würde, doch
stattdessen fuhr sie mit dem goldenen Dolch über seine Wange. Nero zuckte
zusammen und wich zurück. Severin hob die Klinge vor ihr Gesicht und fuhr mit
ihrer Zunge langsam darüber, als schien ihr das graue Blut, das daran klebte,
zu schmecken.
Neros
Wunde mochte im nächsten Moment kaum mehr als eine blasse Linie sein, doch sein
Gesichtsausdruck war einmalig.
Ein
Werwolf, der das Blut eines Vampires trank.
Sowas
sah man auch nicht alle Tage.
„Wie
schade, dass ich nicht diejenige sein kann, die dein verwirktes Leben beenden
darf“, seufzte sie, und weidete sich an den erschrockenen Blicken der anderen
Hunde.
Besonders
Ethan schien unfähig zu begreifen.
„Doch
das wird unser Gast erledigen.“
Ich
runzelte die Stirn. Wer sollte denn –
Da
hörte ich das Klappern eines Stiefelpaares. Durch eine Seitentür, die ich
zuerst kaum bemerkt hatte, da sie sich in den Schatten der Arkadenzone verbarg,
schritt eine hochgewachsene Gestalt.
Ich
riss die Augen auf. Da denkt man, man hat in seinem Leben schon so einiges
gesehen, und dann sowas.
Kapitel 43
Die Allianz der Kreaturen der Nacht
Es war kein geringerer
als Gabriel.
Dunkelbraunes
langes Haar, das fast rötlich schien, fiel ihm in Wellen um die Schultern. Die
Augenbrauen, die einen Zentimeter zu weit oben saßen, verpassten seinen Zügen
eine Art herablassende Gelangweiltheit, wie sie zu einem König gepasst hätte.
Seine Haut war schneeweiß, glatt und ebenmäßig, wie die der Marmorengel.
Feierlich schritt er auf uns zu, und begrüßte Severin mit einem Handkuss.
„Mein
Teil der Abmachung gegen den Euren“, meinte sie an Gabriel gewandt. Plötzlich
schien eine Art Spannung zwischen ihnen. Das erschien mir nur natürlich,
immerhin waren sie die Anführer verfeindeter Rassen. Und doch ging es hier wohl
um ihre persönlichen Belange. „Erst das, was mir zusteht.“
Gabriel
zog einen Mundwinkel hoch. „Natürlich, Mylady.“
Trotz
seines Gesichtsausdruckes ließ seine Stimme nichts an Hohn oder Spott erkennen.
Die beiden wandten sich an zu gehen, während Severin Ethan über die Schulter
zurief, er solle so lange den Schuldigen bewachen.
Die
Tür ging zu. Und wir waren wieder allein.
„Für
wen hält die sich!“, schnaubte Grace. Allein der barsche Klang ihrer Stimme war
mir zuwider, doch plötzlich zerriss die seltsame Anspannung in der einstigen
Kirche, und alle Beteiligten atmeten auf.
„Was
war das“, meinte Logan, und betrachtete Ethan von der Seite. „Geliebter?“
Ethan
brummte. „Das war einmal. Ich war jung und naiv.“
„Wie
alt ist diese Schnepfe denn eigentlich?“ Grace war rüpelhaft wie immer. Und
blöd, dass sie nicht etwas leiser sprach, immerhin herrschte hier drin eine
phänomenale Akustik.
„50“,
sagte Ethan. Die Zahl fiel schwer wie ein Stein aus seinem Mund, schlug mit
einem lauten Klonk auf dem Boden auf, und hinterließ für einen Moment
nichts als Stille.
„50?!“
Logan riss den Mund auf. „Alle Achtung.“
Während
sich die Wölfe darüber ereiferten, wie so etwas möglich war, nahm ich
Blickkontakt zu Nero auf.
Es
wurde Zeit, sich über unseren Abgang Gedanken zu machen.
Zuerst
war ich an der Reihe. Auf Zehenspitzen schlich ich hinter die Säulenreihe,
während die Wölfe mir den Rücken zudrehten. Doch ich war kaum hinter einem
breiten Pilaster verschwunden, da zuckte etwas in meiner Hose. Ich wand mich.
Fuck, nicht gerade jetzt! Ich zog mein Handy aus der Hosentasche. Blöder
Vibrationsalarm! Ich wollte den Anrufer schon wegdrücken, da sah ich Hannahs
Name auf dem Display.
„Henry?!“,
schrie sie mir ins Ohr. „Geht’s dir gut?“
Ich
presste meine Hand auf den Lautsprecher, und flüsterte, dass es gerade kein
günstiger Zeitpunkt für Gespräche war.
Doch
Hannah ließ sich nicht stoppen.
„Ich
hab euch im Wald gesehen. Was ist passiert? Warum sitzt Nero in einem Käfig?
Hat Ethan seine
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