Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
jetzt?“, und sabberte in seinen
Maulkorb. „Warten, bis die zurückkommen? Ich meine, was sollte das überhaupt?“
Ich
erklärte ihnen, was ich beim Gespräch zwischen Severin und Gabriel herausgefunden
hatte.
„Nein!“,
stöhnte Ethan. „Das hat sie nicht wirklich getan!“
Ich
nickte. „Scheinbar doch.“
Ich
konnte Hannah nicht sehen, da wir alle mit dem Rücken zueinander festgebunden
waren, doch ich hörte an ihrer Stimme, dass sie Angst hatte.
„Und
wenn sie wieder kommen … wollen sie Experimente an uns vornehmen?“ Ich hörte
echte Panik. „Ich hasse Spritzen!“
„Viel
schlimmer ist, was sie mit diesen Proben anfangen könnten. Es ist aus.“ Ethan
derart antriebslos zu sehen, machte mich wütend und irgendwie traurig. Das
passte so gar nicht zu dem Bild, das ich bisher von dem starken Wolfsanführer
gehabt hatte.
„Was
ist eigentlich mit deinem Kumpel?“ Logan besah sich den leeren Eisenkäfig, der
einsam wenige Meter neben uns stand. „Haben die ihn laufen lassen? Und dich
hier gelassen? Man, die müssen dich ja gern haben.“
Ich
ballte meine zusammengebundenen Hände zu Fäusten.
„Hätte
ich euch nicht geholfen, wäre ich jetzt nicht in dieser Situation.“
„Und
warum hast du es dann getan?“ Zum ersten Mal hatte Graces Stimme einen sanften
Klang, als sie mit mir sprach.
Ich
zuckte mit den Schultern. „Frag mich was Leichteres.“
Nach einer gefühlten
Ewigkeit kamen die Vampire wieder. Diesmal mit einem Arsenal an Messgeräten,
Koffern und ja, auch einem Bataillon Spritzen. Ich hörte Hannah wimmern.
„Oh,
es wird nicht wehtun“, meinte einer der Typen, und setzte sich einen Mundschutz
auf. „Na ja, ein wenig vielleicht.“
Sein
Lachen bereitete selbst mir eine Gänsehaut, obwohl ich wohl kaum eines ihrer
Studienobjekte sein würde. Ich wollte aufspringen und ihr helfen, doch es ging
nicht. Er bewegte sich aus meinem Blickfeld. „Keine Angst, kleine Hündin. Der
Doktor ist ganz vorsichtig.“
Er
klang wie ein kranker Psychokiller. Ich spürte, wie Bewegung in meine Fesseln
kam. Jeremy neben mir bäumte sich auf. Noch immer in seiner Wolfsgestalt pumpte
er seine Muskeln auf, sodass die Seilstränge ächzten.
„Vorsicht,
der ist gefährlich“, warnte ein anderer Vampir den selbsternannten Doktor.
„Besser, wir trennen sie.“
Irgendwo
nahmen sie eine Heckenschere her und teilten uns in Gruppen auf. Ich wurde von
den anderen getrennt und von den Wachen in einen der Nebenräume gestoßen. Unter
eine Holzklappe im Boden verbarg sich eine Treppe, die nach unten führte. Kurz
darauf stieg mir der Geruch von Tod und Verwesung in die Nase. Eine alte
Krypta.
Immer
noch gefesselt wurde ich in das dunkle Kellergemäuer gestoßen. Ich wollte mich
von meinen Fesseln befreien um an mein Handy zu kommen, doch so sehr ich auch
zog und zerrte, das Seil hielt meinen Bemühungen stand. Ich suchte nach etwas
Scharfem, doch stattdessen fiel mein Blick auf eine Reihe Totenschädel. Ich
schluckte.
Kurz
darauf wurde Hannah zu mir hinuntergestoßen.
„Du
kommst auch gleich dran, Schätzchen“, rief eine barsche Stimme. Danach waren wir
allein in der Dunkelheit. Um uns eine Stille, wie sie nur die Toten verbreiten
können.
„Hey“,
sagte ich. „Lust, was Witziges zu hören?“
Hannah
ließ ihren pelzigen Kopf hängen.
Schuldbewusst
fuhr ich fort. „Irgendwie … ist das Ganze meine Schuld. Mein Plan, sozusagen.
Leider ist er etwas schief gegangen.“
„Du
meinst die Tatsache, dass das Rudel oben von Vampiren gefangen gehalten wird,
die irgendwelche widerlichen Experimente mit ihnen veranstalten wollen? Dass
der Waffenstillstand zwischen unseren Rassen gebrochen wurde und dass es nun
wahrscheinlich Krieg geben wird? Ja, etwas schief gelaufen.“
Ich
schaute zu Boden. Ihre Worte fühlten sich an wie eine Ohrfeige, dabei hatte ich
all das bloß für sie getan.
„Und?
Was war das für ein glorreicher Plan?“, fragte Hannah eine Spur sanfter.
Ich
ließ mir Zeit mit meiner Antwort. „Nun, ich gebe zu, es war einer der Pläne,
die ich dir ursprünglich vorgeschlagen hatte. Wenn auch mit einer etwas
veränderten Umsetzung. Du dachtest, er wäre zu gefährlich, also hab ich die
Sache selbst in die Hand genommen.“
Hannah
verschränkte die Arme. Nun ja, nicht wirklich. Immerhin war sie noch immer ein
Wolf, und noch dazu ein gefesselter. Doch ihre Miene sprach Bände. Hätte sie in
diesem Moment zwei freie Arme, würde sie sie mit Sicherheit verschränken.
„Auf
die
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