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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Darstellungen, Fotos von Kätzchen in kuscheligen Körben und kleinen Hündchen beklebt war, ganz zu schweigen von diversen scharlachroten Herzen und Blumen, war ästhetisch dermaßen abstoßend, daß er fast die Fassung verlor.
    Auf Glaushof hatte das Ganze die gegenteilige Wirkung. Da ihn die Wahrscheinlichkeit, daß seine betrunkene Frau einen russischen Spion mit einer 38er umbringen würde, die sie vermutlich mit 9-Millimeter-Patronen zu laden versucht hatte, weitaus weniger beunruhigte als die Aussicht, daß sein ganzes Haus auseinandergenommen würde und die Nachbarn seine sonderbaren Inhalte zu Gesicht bekommen würden, verließ er die vergleichsweise Sicherheit des Badezimmers und rannte die Schlafzimmertür ein. Sein Timing war miserabel. Nachdem Mrs. Glaushof jegliche Hoffnung, die Wilt hinsichtlich einer Flucht durchs Fenster gehegt haben mochte, vereitelt und es schließlich doch geschafft hatte, den Revolver zu laden, drückte sie ab. Der Schuß ging durch die Tür, Glaushofs Schulter und den überdimensionalen, mit einem Labyrinth verschlungener Gänge ausgestatteten Hamsterkäfig im Treppenhaus, bevor er im flauschigen Teppich landete. »Lieber Himmel«, brüllte Glaushof, »du hast es geschafft. Du hast es wahrhaftig geschafft!«
    »Was soll denn das?« fragte Mrs. Glaushof, fast ebenso erstaunt wie er über die Folgen dessen, daß sie nur am Abzug gedrückt hatte, wenn auch ungleich weniger besorgt. »Was sagst du?«
    »O Gott«, stöhnte Glaushof und sackte zusammen. »Du glaubst wohl, ich kann das verdammte Schloß nicht wegschießen?« rief Mrs. Glaushof herausfordernd. »Glaubst du das? Traust du mir das nicht zu?«
    »Doch«, röhrte Glaushof. »Doch, dir trau ich alles zu. Himmel, ich sterbe.«
    »Hypochonder«, schrie Mrs. Glaushof, die damit offenbar eine alte Rechnung beglich. »Geh zur Seite, ich komm raus!«
    »In Dreiteufelsnamen«, kreischte Glaushof mit stierem Blick auf das Loch, das sie bereits neben einer Angel durch die Tür geschossen hatte, »ziele bloß nicht auf das Schloß.«
    »Und warum nicht?« wollte Mrs. Glaushof wissen. Glaushof war nicht bereit, diese Frage zu beantworten. Bei dem verzweifelten Versuch, den Folgen ihrer nächsten Salve zu entrinnen, rollte er seitwärts Richtung Treppe. Als er schließlich unten aufschlug, war sogar Mrs. Glaushof beunruhigt. »Alles in Ordnung, Glausie?« rief sie und drückte gleichzeitig ab. Als der zweite Schuß ein Loch in einen mit Styroporkugeln gefüllten Sitzsack riß, beschloß Wilt zu handeln. In dem Bewußtsein, daß ihr nächster Schuß mit ihm womöglich Ähnliches anstellte wie mit Glaushof und dem Sack, hob er einen mit gefälteltem Stoff überzogenen Hocker hoch und schlug ihn ihr über den Schädel.
    »Verdammter Macho«, hauchte Mrs. Glaushof kaum hörbar und glitt zu Boden. Wilt zögerte einen Augenblick. Wenn Glaushof noch am Leben war – und das Klirren von Glas im Erdgeschoß ließ das vermuten –, war es unsinnig zu versuchen, die Tür einzurennen. Wilt ging hinüber ans Fenster. »Keine Bewegung!« schrie ein Mann von drunten. Wilt blieb wie angewurzelt stehen. Sein Blick fiel auf fünf Uniformierte, die sich hinter ihren Gewehren ins Gras duckten. Und diesmal gab es keinen Zweifel, worauf sie zielten.

Kapitel 21
    »Die Logik erfordert, daß wir dieses Problem ganz nüchtern betrachten«, erklärte Mr. Gosdyke. »Nun weiß ich, daß das schwierig ist, doch bevor wir nicht einen unumstößlichen Beweis haben, daß Ihr Mann gegen seinen Willen in Baconheath festgehalten wird, können wir keinerlei rechtliche Schritte unternehmen. Das werden Sie doch einsehen?« Als Eva dem Rechtsanwalt ins Gesicht blickte, sah sie nur, daß sie ihre Zeit verschwendete. Mavis hatte die Idee gehabt, sie solle Mr. Gosdyke konsultieren, bevor sie etwas Voreiliges unternahm. Was voreilig bedeutete, wußte Eva. Es bedeutete, Angst davor zu haben, echte Risiken einzugehen und tatkräftig zu handeln.
    »Immerhin«, meinte Mavis auf dem Rückweg, »könntest du vielleicht eine gerichtliche Verfügung oder so was beantragen. Es wäre das beste, das erst mal herauszufinden.« Aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Sie hatte von vornherein gewußt, daß Mr. Gosdyke ihr nichts glauben und von Beweisen und Logik reden würde. Als ob das Leben logisch wäre. Eva wußte nicht mal, was dieses Wort bedeutete, außer daß es bei ihr immer die Vorstellung eines Bahngleises hervorrief, auf dem ein Zug entlangraste, ohne die Möglichkeit zu haben,

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