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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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illegale und unangenehme Weise durchzusetzen – er beförderte dabei vier Menschen vom Leben zum Tode und bediente sich einer Lötlampe als Argumentationshilfe bei mehreren in seiner Schuld stehenden Herrschaften, was ihm den Spitznamen »Feuerwerks- Harry« und fünfundzwanzig Jahre von einem mit gesellschaftlichen Vorurteilen behafteten Richter einbrachte –, waren Wilt seine Argumente etwas suspekt. Auch Mr. McCullams plötzliche Stimmungsumschwünge behagten ihm nicht sonderlich. Sie reichten von jämmerlichem Selbstmitleid und der Behauptung, man triebe ihn absichtlich in die totale Verblödung, über Anfälle religiöser Inbrunst bis hin zu blutrünstigen Kriegserklärungen, in deren Verlauf er drohte, die elenden Drogenfahnder, die ihn hinter Gitter gebracht hatten, bei lebendigem Leib zu braten.
    Im großen und ganzen war Henry jener McCullam am liebsten, bei dem sich die Zeichen zunehmender geistiger Verblödung bemerkbar machten, und er war heilfroh, daß der Unterricht unter dem Schutz eines kräftigen Drahtgitters und eines noch kräftigeren Wärters abgehalten wurde. Speziell nach seinem Zusammenstoß mit Miss Hare und der verbalen Prügel, die er von Eva bezogen hatte, tat ihm diese augenfällige Sicherheit gut zumal Mr. McCullam heute abend auch alles andere als friedlich gestimmt war.
    »Hören Sie«, sagte er heiser zu Wilt, »Sie haben doch keine Ahnung, oder? Bilden sich ein, alles zu wissen, aber gesessen haben sie nicht. Ebensowenig wie dieser Edward Morgan Forster. Der war auch so ein bourgeoiser Kümmerling.«
    »Kann schon sein«, meinte Wilt, der gleich gemerkt hatte, daß es diesmal wenig ratsam war, Mr. McCullam allzu nachdrücklich aufzufordern, beim Thema zu bleiben. »Vielleicht hat ihm aber auch gerade seine Herkunft jene Sensibilität beschert, die erforderlich ist, um ...«
    »Von wegen Sensibilität! Hat mit einem Bullen zusammengehaust, so sensibel war er, dieser Dreckskerl.« Wilt erschien diese Version über das Privatleben des großen Schriftstellers ziemlich fragwürdig. Dem Gefängniswärter offenbar ebenfalls. »Mit einem Bullen?« fragte Wilt daher. »Das kann ich mir eigentlich nicht so recht vorstellen. Sind Sie denn da sicher?«
    »Logisch. Buckingham hieß das Schwein.«
    »Ach der«, sagte Wilt und verfluchte sich dafür, daß er diesen Menschen auch noch dazu animiert hatte, Forsters Biographie zum besseren Verständnis von dessen Romanen zu lesen. Es hätte ihm eigentlich klar sein müssen, daß Feuerwerks-Harry, der Polizisten nicht verknusen konnte, so auf den darin erwähnten Buckingham reagieren würde. »Wie dem auch sei, wenn wir sein Werk vom Standpunkt des Schriftstellers aus betrachten, eines Beobachters der gesellschaftlichen Szene und ...«
    Doch darauf ließ sich McCullam nicht ein. »Die gesellschaftliche Szene, daß ich nicht lache. Die meiste Zeit hat er doch damit verbracht, sein eigenes Arschloch zu betrachten.«
    »Also, metaphorisch könnte man das wohl ...«
    »Wörtlich«, knurrte McCullam und blätterte ein paar Seiten um. »Wie steht’s damit? Zweiter Januar: ›... wiege mich in der Vorstellung, daß ich hinreißend schön bin ... bla, bla ... würde mir trotzdem gerne die Nase pudern, solange man es nicht merkt ... bla, bla ... der After ist haarumwuchert ...‹ Das steht so in dem Tagebuch dieses bekenntniswütigen narzißtischen Schwulen.«
    »Muß wohl einen Spiegel benutzt haben«, sagte Wilt, den diese Enthüllungen vorübergehend aus dem Konzept warfen. »Trotzdem spiegeln seine Romane ...«
    »Ich weiß genau, was Sie jetzt sagen werden«, unterbrach ihn McCullam. »Für seine Zeit waren sie von gesellschaftlicher Relevanz. Blödsinn. Einlochen hätten sie ihn können, weil er mit einem dieser dreckigen staatlichen Ordnungshüter herumgesauigelt hat. Seine Bücher haben ungefähr soviel gesellschaftliche Relevanz wie die der beknackten Barbara Cartland. Und was das für Zeug ist, wissen wir doch alle, oder? Literarischer Spargel.«
    »Literarischer Spargel?«
    »Stubenmädchens Wonne«, sagte Mr. McCullam seltsam genüßlich.
    »Eine interessante Theorie«, entgegnete Wilt, der keine Ahnung hatte, wovon sein grobschlächtiges Gegenüber eigentlich sprach, »obwohl ich persönlich eher zu der Ansicht neigen würde, daß Barbara Cartlands Werk reiner Eskapismus ist, während ...«
    »Jetzt reicht’s aber«, mischte sich der Gefängniswärter ein. »Ich möchte dieses Wort nicht noch einmal hören. Schließlich sollen Sie über Bücher

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