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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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die Treppe hinaufschleppte. Aber seiner Drohung fehlte es an Überzeugungskraft. Er hatte sich wieder an der Nase herumführen lassen und konnte jetzt zum erstenmal Verständnis für Sergeant Runks Schlafbedürfnis aufbringen. Vielleicht würde es ihm nach ein paar Stunden Schlaf gelingen, eine neue Strategie zu entwickeln.
    Auch in Wilts Fall war das Bedürfnis nach Schlaf überwältigend. Die Wirkung von Agenten-Ex auf einen bereits durch die Einnahme von Dr. Kores’ sexuellem Stärkungsmittel geschwächten Körper war derart fatal, daß Henry kaum noch wußte, wer er war, und sich völlig außerstande sahirgendwelche Fragen zu beantworten. Er erinnerte sich dunkel daran, aus einem Toilettenabteil geflohen zu sein oder vielmehr darin eingesperrt gewesen zu sein, aber abgesehen davon herrschte in seinem Kopf ein wildes Durcheinander von Bildern, die keinerlei sinnvollen Zusammenhang erkennen ließen: Männer mit Masken, Gewehre, weggeschleift und in einen Jeep geworfen werden, eine kurze Fahrt, wieder Geschleife, grelles Licht in einem kahlen Raum und ein Mann, der ihn wie ein Wahnsinniger anbrüllte – all das setzte sich zu kaleidoskopartigen Mustern zusammen, die sich ständig veränderten und keinerlei Sinn ergaben. Sie ereigneten sich jetzt gerade oder hatten sich früher ereignet oder stammten vielleicht, nachdem der Mann, der ihn anbrüllte, so unwirklich und weit entfernt wirkte, sogar aus einem früheren Leben – aus einem, das Wilt lieber nicht nochmals durchleben wollte. Selbst als Wilt zu erklären versuchte, daß die Dinge, ganz gleich welche, nicht das waren, was sie schienen, zeigte der brüllende Mann keinerlei Bereitschaft zuzuhören.
    Das war wenig überraschend. Die sonderbaren Geräusche, die Wilt von sich gab, gehörten wohl kaum in die Kategorie sprachlicher Äußerungen und schon gar nicht in die plausibler Erklärungen.
    »Völlig konfus«, konstatierte der Arzt, den Glaushof hatte rufen lassen, um eventuell mit einer Injektion Wilts kommunikative Fähigkeiten wiederherzustellen. »Das haben Sie von Ihrem Agenten-Ex Zwo. Sie können von Glück reden, wenn er je wieder ein vernünftiges Wort rausbringt.«
    »Agenten-Ex Zwo? Wir haben das ganz gewöhnliche Agenten-Ex verwendet«, sagte Glaushof. »Niemand hat mit Agenten-Ex Zwo hantiert. Das ist für die sowjetischen Selbstmordkommandos reserviert.«
    »Natürlich«, sagte der Arzt. »Ich sage ja auch nur, was ich diagnostiziere. Lassen Sie die Kanister lieber mal überprüfen.«
    »Und Harah, diesen Irren, gleich mit«, wetterte Glaushof und eilte aus dem Zimmer. Als er zurückkam, hatte sich Wilt wie ein Fötus zusammengerollt und schlief tief und fest. »Agenten-Ex Zwo«, gab Glaushof kläglich zu. »Und was machen wir jetzt?«
    »Ich habe getan, was ich kann«, sagte der Arzt. »Ich habe ihm zwei Spritzen gegeben und ihm genügend Gegengift verabreicht, um ihn vor dem, was man offiziell als Gehirntod bezeichnet, zu bewahren ...«
    »Gehirntod? Aber ich muß den Kerl doch verhören. Es nützt mir gar nichts, wenn er nur noch dahinvegetiert. Er ist ein verdammter Maulwurf, und ich muß rausfinden, wer ihn angesetzt hat.«
    »Major Glaushof«, sagte der Arzt mißmutig, »es ist jetzt etwa 0.30 Uhr, und wir haben hier acht Frauen, drei Männer, einen Lieutenant und den da. ..« – er zeigte auf Wilt – »die allesamt mit Nervengas vergiftet wurden, und wenn Sie glauben, daß ich auch nur einen von ihnen vor einer chemisch induzierten Psychose bewahren kann, dann werde ich das auch tun, aber ich denke nicht daran, einen mutmaßlichen Terroristen mit einem Bruchband an die oberste Stelle meiner Prioritätenliste zu setzen. Wenn Sie ihn verhören wollen, dann müssen Sie eben warten. Und beten. Ach ja, und falls er in acht Stunden nicht aus dem Koma aufgewacht ist, können wir ihn vielleicht als Organspender gebrauchen.«
    »Schön langsam, Doktor«, erwiderte Glaushof. »Wenn auch nur ein Wort durchsickert, daß einer von denen da ...«
    »... mit Gas vergiftet wurde?« ergänzte der Doktor ungläubig. »Ich glaube, Ihnen ist gar nicht klar, was Sie da angestellt haben, Major. Die werden sich an überhaupt nichts mehr erinnern.«
    »... ein Agent ist«, schrie Glaushof. »Natürlich sind sie mit Gas vergiftet worden. Das ist Lieutenant Harahs Werk.«
    »Wie Sie meinen«, sagte der Arzt. »Ich bin für das körperliche Wohlergehen und nicht für die Sicherheit des Luftwaffenstützpunktes zuständig, und ich nehme an, Sie werden dem General

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