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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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wegen Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses, und steigerte sich schließlich bis zu dem Punkt, an dem sie wußte, daß ihm im Gefängnis etwas Schreckliches angetan worden war. Schließlich unterrichtete er ja diesen grauenvollen Mörder McCullam und hatte schon am Montag abend beim Nachhausekommen recht sonderbar ausgesehen. Freilich hatte er getrunken, aber trotzdem erinnerte sie sich noch, daß sie gesagt hatte ... Nein, das war nicht am Montag abend gewesen, weil sie da bereits schlief, als er zurückkam. Es mußte am Dienstag morgen gewesen sein. Ja, so war es. Sie hatte zu ihm gesagt, er sähe so sonderbar aus, doch wenn sie es sich genau überlegte, meinte sie eigentlich, daß er aussah, als hätte er Angst. Und dann hatte er gesagt, er habe den Wagen auf einem Parkplatz stehengelassen, und als er abends nach Hause kam, hatte er ständig so unruhig aus dem Fenster auf die Straße geschaut. Zudem hatte er auch noch einen Unfall gebaut, den sie zu dem Zeitpunkt einfach nur seiner üblichen Geistesabwesenheit zugeschrieben hatte, aber wenn sie jetzt darüber nachdachte ... An diesem Punkt hatte Eva das Licht angemacht und war aufgestanden. Irgendwas Schreckliches mußte da im Gange sein, ohne daß sie das geringste davon wußte. Damit war sie wieder beim Ärgern angelangt. Henry hätte ihr Bescheid geben sollen, aber wirklich wichtige Sachen sagte er ihr nie. Er hielt sie für dämlich, und vielleicht war sie ja auch nicht sonderlich talentiert, wenn es darum ging, über Bücher zu diskutieren und auf Parties Konversation zu machen, aber zumindest war sie praktisch veranlagt, und niemand konnte behaupten, daß die Vierlinge keine gute Ausbildung bekämen. So verging die Nacht. Eva saß in der Küche, kochte sich kannenweise Tee, machte sich Sorgen und wurde wütend und gab dann wieder sich selbst die Schuld, überlegte, wen sie anrufen könnte, und beschloß dann, es sei das beste, überhaupt niemanden anzurufen, weil es ihr doch jeder verübeln würde, wenn sie ihn mitten in der Nacht aufweckte, und außerdem gab es ja vielleicht eine völlig einleuchtende Erklärung, etwa daß der Wagen liegengeblieben war oder daß Henry auf ein Gläschen zu den Braintrees gegangen war und wegen der Polizei und dem Pusteröhrchen dort übernachten mußte, was ja auch ganz vernünftig gewesen wäre, und vielleicht sollte sie doch wieder ins Bett gehen und ein bißchen schlafen ... Und durch diesen ganzen Strudel widerstreitender Überlegungen und Gefühle begleiteten sie ein Schuldgefühl und die Erkenntnis, daß es dumm gewesen war, auf Mavis zu hören und auch nur in die Nähe dieser Dr. Kores zu gehen. Was wußte Mavis schließlich von Sex? Sie hatte eigentlich nie erzählt, was zwischen ihr und Patrick im Bett ablief – Eva hätte nicht im Traum daran gedacht, nach so etwas zu fragen, und selbst wenn, hätte Mavis es ihr nicht gesagt –, und Eva hatte lediglich erfahren, daß Patrick Affären mit anderen Frauen hatte. Vielleicht gab es sogar gute Gründe dafür. Vielleicht war Mavis frigide oder verhielt sich zu dominierend oder zu maskulin oder war nicht übertrieben sauber oder sonst was. Was immer der Grund war – sie hatte kein Recht, Patrick diese scheußlichen Steroide oder Hormone zu verabreichen und einen trägen Fettsack aus ihm zu machen – als Mann konnte man ihn eigentlich kaum noch bezeichnen –, der jeden Abend vor der Glotze hockte und mit seiner Arbeit nicht mehr anständig zurecht kam. Außerdem war Henry kein schlechter Ehemann. Er war einfach nur geistesabwesend und dachte ständig über Dinge nach, die mit dem, was er gerade machte, nicht das Mindeste zu tun hatten. Wie an jenem Sonntag, als er Kartoffeln fürs Mittagessen schälte und plötzlich sagte, der Vikar würde Polonius als verdammtes Genie hinstellen, wobei es gar keinen Anlaß für diese Bemerkung gegeben hatte, weil er zwei Sonntage hintereinander nicht in der Kirche gewesen war, und er auf ihre Frage, wer Polonius denn sei, gesagt hatte, überhaupt niemand, nur eine Figur aus einem Stück.
    Nein, von Henry konnte man wirklich keinen Sinn fürs Praktische erwarten, und sie stellte sich eben darauf ein. Natürlich gab es Reibereien und Meinungsverschiedenheiten, vor allem wegen der Vierlinge. Warum konnte er bloß nicht einsehen, daß sie etwas ganz Besonderes waren? Nun, eigentlich tat er das, bloß eben verkehrt, und daß er sie als »Klone« bezeichnete, machte die Sache auch nicht besser. Eva fielen noch andere

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