Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
Bezeichnungen ein, die er gebraucht hatte und die auch nicht sonderlich nett waren. Und dann war da neulich noch diese entsetzliche Geschichte mit der Tortenspritze. Der Himmel allein mochte wissen, welche Folgen das für die Vorstellung der Mädchen von Männern haben mochte. Und damit war sie beim eigentlichen Problem: Henry wußte einfach nicht, was Romantik war. Eva stand vom Küchentisch auf und versuchte ihre Nerven dadurch zu beruhigen, daß sie anfing, die Speisekammer zu putzen. Um halb sieben stand plötzlich Emmeline im Schlafanzug vor ihr.
    »Was tust du denn da?« fragte sie so überflüssigerweise, daß Eva prompt den Köder schluckte.
    »Das ist doch offensichtlich«, fauchte sie. »Kein Grund, so eine dumme Frage überhaupt zu stellen.«
    »Für Einstein war es nicht offensichtlich«, entgegnete Emmeline mit ihrer bewährten Technik, Eva an ein Thema heranzulocken, von dem sie keine Ahnung hatte, das sie jedoch gutheißen mußte.
    »Was denn?«
    »Daß die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten eine Gerade ist.«
    »Das ist doch so, oder?« sagte Eva, während sie eine Dose mit Feinschmecker-Marmelade aus dem Fach mit Sardinen- und Thunfischkonserven nahm und in die Marmeladenglas-Ecke stellte, wo sie etwas deplaziert wirkte. »Natürlich nicht. Das weiß doch jeder. Es ist eine Kurve. Wo ist denn Daddy?«
    »Ich verstehe nicht, was ... was meinst du mit ›Wo ist Daddy?‹« sagte Eva völlig überrumpelt durch diesen Sprung vom Unbegreiflichen zum Naheliegenden.
    »Ich habe gefragt, wo er ist«, sagte Emmeline. »Er ist nicht zu Hause, oder?«
    »Nein, ist er nicht«, gab Eva zurück, hin- und hergerissen zwischen der Versuchung, ihrem Unwillen Luft zu machen und der Notwendigkeit, Ruhe zu bewahren. »Er ist eben nicht da.«
    »Wo ist er denn hingegangen?« fragte Emmeline. »Er ist nirgends hingegangen«, erwiderte Eva und stellte die Marmelade wieder ins Fischfach. Konservendosen paßten einfach nicht zu Marmeladegläsern. »Er hat bei den Braintrees übernachtet.«
    »Dann hat er sich wohl wieder vollaufen lassen«, sagte Emmeline. »Glaubst du, daß er Alkoholiker ist?« Eva griff drohend nach einer Kaffeekanne. »Wie kannst du es wagen, so über deinen Vater zu reden!« fauchte sie. »Natürlich trinkt er was, wenn er abends nach Hause kommt. Das tut fast jeder. Das ist völlig normal, und ich werde nicht zulassen, daß du solche Sachen über deinen Vater sagst.« »Du sagst Sachen über ihn«, erwiderte Emmeline. »Ich habe gehört, wie du ihn einen ...«
    »Kümmere dich nicht um das, was ich sage«, fuhr Eva sie an. »Das ist etwas völlig anderes.«
    »Das ist gar nichts anderes«, beharrte Emmeline, »wenigstens nicht, wenn du ihn als Alkoholiker bezeichnest, und außerdem habe ich dich doch nur was gefragt, und du sagst doch immer, wir sollen ...«
    »Geh sofort hinauf in dein Zimmer«, sagte Eva. »Ich dulde nicht, daß du so mit mir redest. Kommt nicht in Frage.« Emmeline verschwand, und Eva sank erneut am Küchentisch zusammen. Es war wirklich schlimm, daß Henry den Vierlingen keinerlei Respekt beigebracht hatte. Immer überließ er es ihr, den Zuchtmeister zu spielen. Er sollte einfach mehr Autorität haben. Sie ging wieder in die Speisekammer und sorgte dafür, daß die Packungen und Töpfe und Dosen genau dort standen, wo sie sie haben wollte. Als sie damit fertig war, war ihr etwas wohler. Sie trieb die Vierlinge dazu an, sich rasch anzuziehen. »Heute morgen müssen wir den Bus erwischen«, verkündete sie, als sie zum Frühstück erschienen. »Daddy hat den Wagen und ...«
    »Hat er nicht«, widersprach Penelope. »Den hat Mrs. Willoughby.«
    Eva, die gerade Tee eingoß, schüttete ihn daneben. »Was hast du gesagt?«
    Penelope grinste selbstzufrieden. »Mrs. Willoughby hat den Wagen.«
    »Mrs. Willoughby? – Ja, ich weiß, daß ich den Tee verschüttet habe, Samantha. – Was meinst du, Penny? – Das kann nicht sein.«
    »Sie hat ihn aber«, wiederholte Penelope überheblich. »Der Milchmann hat es mir gesagt.«
    »Der Milchmann? Er muß sich geirrt haben«, sagte Eva. »Hat er aber nicht. Er hat eine Heidenangst vor dem Riesenhund von Nummer 65 und stellt die Milch daher immer nur vors Gartentor; und da steht auch unser Auto. Ich bin hin und habe es selbst gesehen.«
    »Und war dein Vater auch da?«
    »Nein, es war leer.«
    Eva setzte die Teekanne mit zitternder Hand ab und überlegte, was das zu bedeuten hatte. Wenn Henry nicht im Auto saß ... »Vielleicht ist Daddy

Weitere Kostenlose Bücher