Henry dreht Auf
von der Dogge gefressen worden«, meinte Josephine.
»Dieser Hund frißt keine Menschen. Er beißt ihnen nur die Kehle durch und läßt sie dann hinten im Garten beim Abfallhaufen liegen«, sagte Emmeline.
»Stimmt überhaupt nicht. Er bellt nur. Er ist sogar ziemlich nett, wenn man ihm Lammkoteletts und so was gibt«, widersprach Samantha und lenkte damit ungewollt Evas Aufmerksamkeit von der entsetzlichen Möglichkeit ab, daß sich Henry in seinem betrunkenen Zustand im Haus geirrt und von der dänischen Dogge tödlich verletzt worden sein könnte. Andererseits pulste ja noch immer Dr. Kores’ Gebräu durch seine Adern ...
Penelope faßte diesen Gedanken in Worte. »Es ist viel wahrscheinlicher, daß Mrs. Willoughby ihn vernascht hat«, meinte sie. »Mr. Gamer behauptet, sie sei verrückt nach Sex. Ich habe gehört, wie er das zu Mrs, Gamer gesagt hat, als sie sagte, sie wollte es.«
»Wollte was?« fragte Eva, die diese Enthüllung zu sehr aus der Fassung brachte, als daß sie sich noch weiter mit den aus der Tiefkühltruhe verschwundenen Koteletts hätte befassen können.
Die Sache konnte sie auch noch später abhandeln.
»Das Übliche«, sagte Penelope, ohne ihren Abscheu zu verhehlen. »Sie können gar nicht mehr damit aufhören, und Mrs. Gamer sagte, sie sei auf dem besten Weg, genauso zu werden wie Mrs. Willoughby, nachdem Mr. Willoughby mitten dabei gestorben sei, und er habe nicht vor, auch so zu enden.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Eva, ohne es eigentlich zu wollen. »Und ob«, erwiderte Penelope. »Sammy hat es auch gehört, stimmt’s?«
Samantha nickte.
»Er war in der Garage und spielte an sich herum wie der kleine Paul aus der 3b, und wir konnten jedes Wort verstehen«, sagte sie. »Er hat jede Menge Playboys da drin und solche Bücher, und sie kam rein und sagte ...«
»Ich will es gar nicht hören«, sagte Eva und beendete damit dieses faszinierende Thema. »Es ist höchste Zeit, daß ihr eure Sachen zusammenpackt. Ich gehe schon mal vor und hole das Auto ...« Sie stockte. Es hörte sich so einfach an – hingehen und den Wagen vor dem Haus eines Nachbarn abholen –, aber die Sache hat einen gewaltigen Haken. Falls sich Henry wirklich in Mrs. Willoughbys Haus befand, würde sie diesen Skandal nicht überleben. Trotzdem mußte etwas passieren, denn es war schon skandalös genug, wenn die Nachbarn den Escort dort sahen. Mit jener wilden Entschlossenheit, mit der Eva sich stets peinlichen Situationen stellte, schlüpfte sie in ihren Mantel und marschierte aus dem Haus. Wenig später saß sie im Escort und versuchte ihn anzulassen. Doch wie üblich, wenn sie in Eile war, leierte der Anlasser, ohne daß etwas passierte. Um genau zu sein, passierte schon etwas, aber nicht das, worauf sie gehofft hatte. Die Haustür ging auf, und heraus sprang die dänische Dogge, gefolgt von Mrs. Willoughby im Morgenmantel. Für Evas Begriffe war das genau die Art Morgenmantel, den eine sextolle Witwe tragen würde. Eva kurbelte das Fenster herunter, um ihr zu erklären, daß sie nur den Wagen abholte, kurbelte es aber sofort wieder hoch. Was immer ihr Samantha in ihrer Feinfühligkeit für diesen Hund einreden mochte, Eva war mißtrauisch. »Ich will die Mädchen nur in die Schule fahren«, sagte sie, ohne damit die Situation auch nur im mindesten angemessen zu erklären.
Draußen bellte die dänische Dogge, und Mrs. Willoughbys Lippen formten Worte, die Eva nicht verstehen konnte. So kurbelte sie das Fenster wieder ein paar Zentimeter herunter. »Ich sagte, ich würde nur die Mädchen ...«, begann sie. Zehn Minuten später fuhr Eva im Anschluß an einen äußerst bissigen Wortwechsel, in dessen Verlauf Mrs. Willoughby Evas Recht, vor anderer Leute Häusern zu parken, bestritten hatte und Eva sich nur durch die Gegenwart des Hundes hatte abhalten lassen, für sich das Recht in Anspruch zu nehmen, das Haus nach ihrem Henry zu durchsuchen, und sich wohl oder übel darauf beschränken mußte, herbe moralische Kritik an dem Morgenmantel zu äußern, die Vierlinge wütend in die Schule. Erst als sie sie dort abgeliefert hatte, stürmten ihre eigenen Sorgen wieder auf sie ein. Wenn nicht Henry den Wagen vor die Tür dieses Scheusals gestellt hatte – und sie konnte sich nicht recht vorstellen, daß er der dänischen Dogge unerschrocken gegenübergetreten war, es sei denn, er wäre sturzbetrunken gewesen, und dann hätte er wohl kaum großes Interesse an Mrs. Willoughby gehabt –, dann mußte es jemand anders
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