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Henry haut ab: Roman (German Edition)

Henry haut ab: Roman (German Edition)

Titel: Henry haut ab: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Respekt entgegengebracht hatte, und war sich ganz sicher, dass ihre geheimen lüsternen Fantasien, Wilt zu verführen, den Tod ihres geliebten Sohnes verursacht hatten.
    Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit ging Sir George zu Lady Clarissa hinüber und legte einen Arm um sie, als wolle er sie trösten. Extreme Situationen erforderten extreme Maßnahmen, sagte er sich. »Liebling, es tut mir wirklich leid um Eddie … Ich meine, Edward. Ich wollte nicht, dass er ums Leben kommt. Er sollte doch nur ein bisschen Spaß mit meinen Gewehren haben, weil das anscheinend doch das Einzige war, was ihm Freude gemacht hat. Wenn es dich irgendwie tröstet, du kannst ihn hier beerdigen. Auch wenn er genau genommen kein echter Gadsley ist …« Er brach ab, als Lady Clarissa nur noch lauter zu heulen begann. » … muss er natürlich irgendwo hier in der Nähe begraben werden. Und, was noch wichtiger ist, ich bezahle dir den Flug, damit du die Asche deines Onkels nach Kenia bringen kannst, wie es sein letzter Wille war. Und warum machst du nicht gleich richtig lange Urlaub, wenn du schon mal da bist?«
    Lady Clarissa war nicht dumm. Sie wandte ihm ihr tränenüberströmtes Gesicht zu und fragte: »Und was muss ich für diesen Beweis deiner Großzügigkeit tun?«
    »Ach, überhaupt nichts. Du musst nur all diesen Polizisten sagen, dass Edward gewusst haben muss, wo die Schlüssel zum Waffenschrank aufbewahrt wurden. Und ich schwöre dir beim Grab meiner Mutter, ich habe niemals gewollt, dass er sich umbringt. Es war ein tragischer Unfall, der arme Junge.«
    Sir Georges Darbietung war überaus überzeugend. Erst später, als Lady Clarissa bereits im Flugzeug saß, selbstverständlich in der ersten Klasse, fiel ihr wieder ein, dass Sir Georges Mutter eine der wenigen Gadsleys war, die nicht auf dem Familienfriedhof begraben lag. In der Tat hatte Sir George nie erfahren, wo der Leichnam seiner Mutter gelandet war, nachdem sie bei einem Familienurlaub an der Costa Brava von einer Welle erfasst und ins offene Meer hinausgezogen worden war. Zumindest hatte sein Vater das behauptet.
    Erfüllt von frischer Entschlossenheit kehrten Inspector Flint und der Superintendent ins Arbeitszimmer zurück: Sie würden jetzt diesem Todesfall, oder den beiden Todesfällen, oder den beiden Mordfällen, oder dem einen Mord und dem einen Todesfall oder Gott-weiß-was auf den Grund gehen.
    Die Stimmung im Raum unterschied sich grundlegend von der, die noch vor kaum einer halben Stunde hier geherrscht hatte. Sir George hatte sich offensichtlich mit seiner Frau vertragen, und es herrschte Versöhnlichkeit zwischen den beiden, als sie sich wehmütig anlächelten.
    »Superintendent … Inspector«, begann Lady Clarissa mit großer Geste, »es tut mir überaus leid, dass Sie Ihre Zeit damit verschwendet haben, in einem Fall zu ermitteln, der offensichtlich nur ein schrecklicher Unfall war. Mein armer dummer Junge« – hier brach sie ab, um laut zu schluchzen – »wollte mir wahrscheinlich helfen, indem er sich den Leichnam meines Onkels angeeignet hat, nachdem mein Mann sich irrigerweise geweigert hatte, ihn als Familienangehörigen anzuerkennen. Er dachte wohl, er könnte ihn selbst hier begraben und ist bei diesem Versuch gestolpert und tödlich verwundet worden.«
    »Aber warum hat er dann der Leiche die Kleider ausgezogen?«, fragte Flint.
    »Das wird nur Edward je wissen«, sprang Sir George ein und legte den Arm stützend um die Schultern seiner Frau. »Aber ich nehme an, er wollte seiner armen Mutter die Orden geben, als Andenken an ihren Onkel.«
    Er hielt inne, als Wilt hereinkam und Eva hinter sich herzog. Sie hatte Lady Clarissas unhöfliches Betragen von vorhin längst vergessen und beteuerte, wie unendlich leid ihr Edwards tragisches Ende täte. Dann setzte sie hinzu, dass es wahrscheinlich das Beste für sie alle wäre, wenn die Wilts unverzüglich abreisten. Den Rest könnten sie später regeln, wenn die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen seien.
    »Was meinen Sie mit ›den Rest später regeln‹?«, hakte Flint nach.
    »Das Geld, das Lady Gadsley Henry noch für Edwards Unterricht schuldet«, antwortete Eva. »Unter den gegebenen Umständen vergessen wir die Kosten, die uns auf dem Weg hierher entstanden sind.«
    »Also sollte Wilt dafür bezahlt werden, den Jungen zu unterrichten und nicht …«, stotterte Flint.
    »Das habe ich Ihnen doch gesagt, aber Sie wollten mir ja nicht glauben«, gab Wilt zurück. »Und jetzt, wo Sie die Leiche

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