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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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atmete tief ein. »Was hat sie, was ich nicht habe?«
    »Willst du das wirklich wissen, Anita?« Christian sah mich eindringlich an. »Ich will dir wirklich nicht wehtun …«
    »Das TUST du aber! Die ganze Zeit schon! Indem du sagst, dass du sie LIEBST!«
    »Ich arbeite am Gegenteil.«
    »Wie nett von dir! Da muss ich dir wohl auch noch dankbar sein?« Ich stieß ein verächtliches Lachen aus.
    Christian nahm versonnen einen Schluck Wein. »Sie ist … so selbstständig. Kreativ. Tüchtig. Herzlich. Temperamentvoll. Witzig. Und chaotisch.«
    »Aha. Und das bin ich also alles nicht. CHAOTISCH!« Ich lachte verbittert. »Das bin ich allerdings nicht.«
    »Du bist leider auch nicht selbstständig. Aus dir ist ein verwöhntes Kind geworden.«
    »DU hast gesagt, ich kann ruhig meinen Job aufgeben! Damit ich Zeit für die Kinder habe!« Mir schossen die Tränen in die Augen. Was für eine Gemeinheit, mir nach achtzehn Jahren zu sagen, ich sei nicht selbstständig!
    »Anita, in letzter Zeit hatte ich immer mehr das Gefühl, neben einer schönen Puppe herzuleben. Du bist … perfekt. Aber es kommt kein … Input.«
    Christian knetete seine Hände, und ich sah, dass er nach den richtigen Worten suchte. Er wollte ehrlich sein, wusste, dass das seine letzte Chance war. Es war ein Drahtseilakt: Ein falsches Wort, und ich würde ihn rauswerfen. Trotzdem zitterte ich vor Wut. »Was soll das heißen, kein Input? Ich koche, kümmere mich um unsere Töchter, pflege mich und halte mich fit …« Ich nahm hastig noch einen Schluck Wein. »Macht deine dicke Tussi jeden Tag eine Stunde Pilates? Spielt sie Tennis, spielt sie Golf? Reitet sie? Fährt sie Ski? Kannst du dich mit ihr auf dem gesellschaftlichen Parkett blicken lassen?« Meine Stimme wurde schrill.
    »Die Luft ist raus, Anita.« Christians Stimme klang rau und leise.
    »Aber du stehst hier. Und bittest mich um eine Fortsetzung dieser … langweiligen, reizlosen Ehe. Aus der die Luft raus ist. Und wie stellst du dir das bitte schön vor? Sollen wir sie wieder reinpumpen? Wie in eine lecke Luftmatratze?«
    Ich warf die Hände hoch. Lieber hätte ich Christian geschlagen.
    »Ja. Wir können daran arbeiten. Das machen andere Paare auch.« Christian drehte sich zu mir herum und sah mich flehentlich an. »Meinetwegen gehen wir zu einer Eheberatung. Lernen, wieder miteinander zu reden. Ich bitte dich jetzt zum letzten Mal: Lass es uns versuchen.« Er breitete ganz langsam die Arme aus. »Hm? Drehen wir die Zeit zurück! Verreisen wir! Machen wir etwas Verrücktes.«
    »Ja, nach Heilewelt vielleicht! Besuchen wir unsere neuen Freunde!«, äffte ich ihn nach. Dabei sehnte ich mich nur nach Ruhe und Frieden. Wenn doch alles wieder so wäre wie früher! Ich wollte mich in seine Arme werfen und einfach nur weinen, bis der Schlaf kam. Aber ich schaffte es nicht. Mein Stolz ließ es einfach nicht zu. Tatsache war: Er kam angekrochen, nachdem die Rothaarige leider nicht loszueisen war. Das war so billig, so unglaublich demütigend. Ich war zweite Wahl. Wie ein fehlerhaftes Kleidungsstück. Deshalb sagte ich: »Damit du nicht zahlen musst. Damit du ein Dach über dem Kopf hast. Damit du um die Scheidung herumkommst. Aber dafür ist es zu spät.« Ich konnte nicht die Nummer zwei sein. Nicht hinter einer rothaarigen, sommersprossigen Brillenschlange, die mindestens Größe vierzig trug. Und die er liebte, weil sie chaotisch war. Eine Welle der Enttäuschung erfasste mich. »Hau ab, Christian, es ist aus! Die Scheidung läuft weiter. Geh zu deiner Parkhausschlampe. Oder penn meinetwegen unter der Brücke.« Noch während ich das sagte, bereute ich es auch schon wieder. Es tat mir so weh, ihm solch lieblose Worte an den Kopf zu werfen, aber ich konnte nicht anders. Ich merkte erst, dass ich weinte, als Christian das Grundstück bereits verlassen hatte, und zwar genauso, wie er gekommen war. Es war, als wäre er nie da gewesen. Vielleicht würde ich morgen früh aufwachen und glauben, ich hätte die Begegnung nur geträumt.

LOTTA
    Nachdem Christian weg war, breitete sich eine unheimliche Leere in mir aus. Ich funktionierte nur noch. Da waren die Proben in der Musikschule, die Arbeit am Schreibtisch, die Telefonate mit den Eltern meiner Schüler, die nötigen Handgriffe im Haushalt: All das tat ich wie in Trance. Jürgen hatte Christian herbestellt und wieder weggeschickt. Er hatte das Machtspiel gewonnen. Mechanisch richtete ich die Noten für »Carmina Burana« ein, vereinfachte die schweren

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