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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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schließlich zu Christian an den Zaun ging. Ich kam mir vor, als hätte ich Blei an den Füßen, als ginge ich zu meiner eigenen Beerdigung. Ich schaffe das schon!, redete ich mir gut zu. Ich bin eine starke Frau. Man kann nicht alles haben im Leben. Es geht nicht und soll nicht sein, wir sind schließlich nicht Romeo und Julia. Und auch nicht Aschenputtel und der Prinz. Gleichzeitig quälte mich der scheußliche Verdacht, dass ich in meinem Leben immer nur Trostpreise zog. Christian wandte mir sein Gesicht zu. Es stand große Trauer und Zuneigung darin. Halt mich!, schrie eine innere Stimme. Halt mich fest und lass mich nie wieder los! Geh nicht fort! Ich will einmal im Leben den Hauptgewinn! Nimm mich mit, und wenn es nur für ein paar Tage ist! Stattdessen sagte ich gefasst: »Danke für deinen Besuch. Ich habe mich sehr gefreut.«
    »Tja«, sagte Christian. »Ich fahr dann mal.«
    In meinen Ohren rauschte es.
    »Mama, warum kommt Christian nicht mit rein?«
    »Mama, wir können doch noch mal ›Peter und der Wolf‹ spielen! Bitte, bitte, bitte!«
    »Christian hat heute noch einen Termin«, hörte ich mich sagen. »Er muss jetzt zu einer wichtigen Probe.«
    »Tja, man muss akzeptieren, wer der Dirigent ist und was er vorgibt«, meinte Christian vielsagend. »In ein bereits vollständiges Orchester soll man sich lieber nicht einmischen.« Er beugte sich vor und tätschelte die Kinder zum Abschied. »Und schon gar nicht in einen Kinderchor.«
    Ich verstand. »Die Besetzung steht«, krächzte ich und nickte düster. »Eine Zweitbesetzung ist nicht vorgesehen.«
    »Es ist besser so!«, sagte Christian leise. Er nahm meine Hände und drückte sie. »Du bist eine starke Frau.«
    »Ja. Es ist besser so.« Ich beugte mich hinunter und drückte einen Kuss darauf. Dann ging ich mit den Kindern ins Haus.

ANITA
    Es war abends um acht, und ich hatte mich gerade in die Kobaliksche Lamadecke gekuschelt und die Tagesschau angemacht, als ich ein Geräusch am Fenster hörte. War das ein Eichhörnchen? Nein. Es klang so, als klopfte jemand mit einem kleinen Stein oder einem Ring ans Fenster. Ping! Ping! Ping! Die Kobaliks klopften nicht so vorsichtig. Die gingen inzwischen mit ihrem Schlüssel ein und aus. Mit pochendem Herzen rappelte ich mich auf und spähte durch den Spalt der Jalousie. Da stand ein Mann im Garten! Fußspuren im Schnee führten zur Gartenmauer, über die er geklettert sein musste. Vorsichtig sah er sich um wie ein Einbrecher. Hilfe! Jetzt drehte er sein Gesicht zum Fenster. Oh Gott! Es war Christian! Und was nun? Am besten, ich holte Verstärkung. Es war ihm polizeilich verboten, mein Grundstück zu betreten!
    »Anita! Anita! Ich habe dich gesehen! Lass mich rein! Wir müssen reden!«
    Was tun? Es war mir strengstens verboten, mit Christian zu reden. Das war allein Ralf Steiners Sache. Aber nach kurzer Zeit beschloss ich, die Terrassentür einen Spaltbreit zu öffnen. Christian sah total übernächtigt und elend aus. Mit ihm kam ein eiskalter Schwall Januarluft ins Wohnzimmer.
    »Servus. Danke, dass du mich reingelassen hast.« Christian streifte sich die Stiefel ab und sah sich verwundert um: »Bin ich hier im richtigen Haus?«
    »Ja. Die Kobaliks haben es ein wenig umgeräumt.«
    »Und … gefällt es dir?«
    »Das tut jetzt nichts zur Sache«, sagte ich kühl. »Du weißt, dass du überhaupt kein Recht hast, hier zu sein.«
    »Ich weiß.« Christian zog seinen Mantel aus und warf ihn über die Lamadecke.
    »Also?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Was willst du?« Notfalls konnte ich immer noch zum Schürhaken über dem Kamin greifen, falls er mir zu nahe trat.
    »Anita.« Christian sank mit einer Pobacke auf die Sofalehne und griff nach meiner Hand, die ich ihm sofort entzog. »Ich weiß nicht, was alles passiert ist. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe.« Er sah auf seine Socken. »Doch. Ich habe eine Musikschullehrerin geküsst. Inzwischen habe ich erfahren, dass ihr Mann hier angerufen hat und dass ihr lange mit ihm geredet habt.«
    »Das geht dich gar nichts an!«, zischte ich. Angriff ist die beste Verteidigung.
    »Natürlich nicht. Aber die Kobaliks umso mehr, was?« Christian griff nach der Weinflasche, die ich auf den Fernsehtisch gestellt hatte, und betrachtete das Etikett. »Trinkst du? Regelmäßig? Ganz allein?«
    »Das geht dich erst recht nichts an!« Tränen stiegen mir in die Augen. Trotzig blinzelte ich sie weg.
    Er rieb sich müde die Augen. »Schau, Anita, wir können

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