Hera Lind
diese dämlichen Spielchen noch ewig weiterspielen. Wir können aber auch wie zwei erwachsene Menschen miteinander reden. Noch ist es nicht zu spät!«
Er wirkte unglaublich erschöpft. Seine Augen waren so gerötet, als wäre er die ganze Nacht durchgefahren. Wahrscheinlich war er bei seiner Musikschulschlampe gewesen!
»DU hast doch in die Scheidung eingewilligt!«, schnauzte ich ihn gereizt an. »DU hast doch deine Sachen genommen und bist abgehauen! DU hast doch deine Töchter verlassen!«
»Anita. Bleib doch mal sachlich! Das stimmt doch gar nicht.«
»Du hast mich betrogen«, schluchzte ich. »Und das immer wieder!« Ich wollte mit den Fäusten auf ihn einhämmern.
»Ich habe dich nicht betrogen«, sagte Christian kopfschüttelnd. »Anita, das ist alles ein Riesenmissverständnis. Ich bereue, dass ich es so weit habe kommen lassen. Ich gebe zu, dass ich schon a bisserl gekränkt war, als ich erfahren habe, dass du diesem Jürgen Immekeppel und den Kobaliks Glauben schenkst, ohne mich überhaupt zu fragen. Weißt du eigentlich, dass dieser Sparkassenfritze das ganze Gespräch heimlich mitgeschnitten hat? DAS wäre eigentlich ein Fall für deinen Freund Ralf Steiner. Das ist nämlich eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte.«
Mir wurden die Knie weich. »Wie? Was? Woher weißt du …«
»Ist ja auch egal jetzt. Die Kobaliks haben dir und diesem Immekeppel eine Menge Blödsinn über mich erzählt. Sogar, dass ich krumme, dicke Beine habe.« Er lächelte traurig.
Ich schaute beschämt zu Boden. Das hätten sich die Kobaliks echt sparen können!
»Lenk nicht vom Thema ab und fasele was von Persönlichkeitsrechten daher!«, schnaubte ich wütend. »Du hast mich x-mal betrogen!«
»Bitte, Anita.«
Christian versuchte erneut, meine Hand zu nehmen. Ich zuckte zurück, als hätte ich eine heiße Herdplatte angefasst.
»Ich HABE dich nicht betrogen. Weder in Thailand mit einer Touristin noch nach dem Neujahrskonzert mit einer Sopranistin. Und auch nicht auf dem Traumschiff mit einer Schauspielerin.« Er nahm die Weinflasche: »Darf ich?«
»Bitte«, sagte ich. »Bedien dich! Aber lass dich nicht von den Kobaliks erwischen.«
Das war schon alles ziemlich verquer. Irgendwie hatte ich mein ganzes Leben in die Hände dieser Leute gelegt. Erst in die Christians und dann in die ihren. Ich selbst entschied schon lange nichts mehr. Mein Leben plätscherte zwischen Kindern, Küche und Fernseher dahin. Zwischen Fitnessübungen und der täglichen Weinflasche. Jeder Tag endete mit einem leichten Rausch und meiner Heizdecke. Seliges Vergessen … bis zum nächsten grauen Tag.
»Ich bin gekommen, um dich zu bitten, es noch mal miteinander zu versuchen«, sagte Christian feierlich. »Ich möchte mich entschuldigen, dass ich so viel unterwegs und Weihnachten nicht rechtzeitig zu Hause war. Ich werde mir Mühe geben und …« Seine Stimme wurde rau. »Anita, komm zur Vernunft. Die Kobaliks machen alles kaputt.«
»DU hast alles kaputt gemacht!«, zischte ich zurück. Ich war wütend, verängstigt und überrumpelt. Außerdem war ich nicht mehr ganz nüchtern.
»Ich frage dich das jetzt zum letzten Mal: Wollen wir es noch mal miteinander versuchen?«
Christian nahm mich bei den Schultern und sah mir tief in die Augen. Ich konnte die schwarzen Punkte in der braunen Iris erkennen.
»Woher weißt du das mit dem Telefonat?«, fragte ich trotzig.
Christian ließ mich los und nahm einen Schluck Wein. »Ich will ganz offen zu dir sein, Anita. Nachdem ich meinen Job verloren und zehn Nächte allein im Hotel gehockt habe, bin ich gestern nach Heilewelt gefahren. Ich habe mit der Frau geredet, deren Mann hier angerufen hat. Es musste einfach sein. Es gab so einiges zu klären.«
Ich umklammerte mein Weinglas so fest, dass es beinahe zerbrochen wäre. Ich hatte es gewusst! »Du warst BEI IHR!?«
Er nickte. »Ja. Sie hat drei kleine Kinder und einen hilflosen Trottel zum Mann, der ohne sie nicht leben kann. Sie hat einen Ruf zu verlieren in ihrer Kleinstadt. Ich habe die Plakate gesehen, die dort überall herumhängen: Sie, der Mann und die Kinder. Sie lebt in ihrer heilen Welt. Ich kann sie da nicht rausholen.«
Ja, stand das denn überhaupt zur Debatte? Er hatte sie da rausholen wollen, sich als Prinz gefallen, der das Aschenputtel befreit! Aber die Dornenhecke war zu hoch, und nur deshalb kehrte er zu mir zurück!
»Und DAS sagst du mir alles INS GESICHT?«, schrie ich. »Nur weil die Dame nicht abkömmlich ist, kommst du
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