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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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»Immerhin hatten wir den größten Krach unseres Lebens! Vielleicht wollte sie sich entschuldigen!« Der Gedanke an Sophie versetzte mir einen wehmütigen Stich.
    »Nein, meine liebe Lotta, du hast geglaubt, es ist dein Liebhaber!« Jürgen hielt mir zwei Finger unters Kinn und wollte mich zwingen, ihn anzusehen. »Warum kannst du mir nicht in die Augen schauen? Hättest du ein reines Gewissen …«
    Weil ich dich im Moment einfach nur hasse!, hätte ich gern geschrien. Weil du einen Tropfen an der Nase hast! Weil du sogar recht hast. Weil ich nichts sehnlicher gehofft habe, als dass es Christian ist. Und nichts mehr gefürchtet.
    »Lotta, du musst dir jetzt über eines im Klaren sein!« Jürgen nahm seinen Stechschritt wieder auf und zerrte mich in Richtung Hauptstraße, wo wir sonst eigentlich nie langgingen: »Du hast hier in Heilewelt einen guten Ruf zu verlieren.« Abrupt blieb er stehen. »Um Gottes willen, schau nur!« Wir standen vor einer Litfaßsäule, an der noch ein Konzertplakat hing: »Schau, wie sensibel die Leute hier auf deine triebgesteuerte Dummheit reagieren!«
    Mir blieb das Herz stehen. Mein lächelndes Gesicht war völlig verunstaltet worden: Man hatte mir einen Zahn schwarz gemalt, und auf meiner Stirn stand in Großbuchstaben: »Schlampe!« Mir wich alles Blut aus dem Gesicht, und meine Beine waren wie Pudding. Ich schämte mich furchtbar, wollte auf der Stelle tot umfallen oder wenigstens unsichtbar werden! »Oh Jürgen, mir wird schlecht«, krächzte ich hilflos. »Können wir schnell weitergehen?«
    »Natürlich.«
    Diesmal ließ ich es gern geschehen, dass er meine Hand nahm und mich fortzog. Als Nächstes kamen wir zur Post. Ich wurde beinahe ohnmächtig, als ich vor einem weiteren beschmierten Plakat stand. Diesmal prangte das Wort »Rabenmutter« darauf.
    Leffers hockte sich hin und machte erst mal einen dicken Haufen neben die Litfaßsäule.
    Täuschte ich mich, oder hingen die Bürger Heilewelts bereits feixend hinter ihren Gardinen? Meine Lippen waren so blutleer, dass ich sie nur mit viel Mühe auseinanderbringen konnte: »Gibt es noch mehr davon?«
    »Keine Ahnung!« Jürgen hob die Schultern und sah sich ratlos um. Dann kam mir sein Gesicht ganz nahe: »Das ist die logische Folge, meine liebe Lotta. Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um.«
    Ich wollte weinen, aber es kamen keine Tränen.
    »Gerngroß!«, flüsterte ich fassungslos. »Er ist der Einzige, der uns gesehen hat!«
    »Dann war er das, der mir diese anonyme Mail geschickt hat?«, mutmaßte Jürgen betroffen. »Das ist doch dieser Bäckermeister, dessen Viktoria im Rollstuhl sitzt?!«
    »Ich glaube, ich bring ihn um!«, krächzte ich. In plötzlich aufwallender Panik klammerte ich mich an Jürgens Brust: »Jürgen, bitte! Du musst mir helfen! Der Mann macht mich ja fertig hier in Heilewelt! Oh, ich hasse ihn, ich hasse ihn! Wir müssen ihn mundtot machen …«
    »Tja«, sagte Jürgen. Er sah mich mitleidig an. »Wie schnell sich die Tonart ändern kann, was? Vor einer Woche haben sie noch Hosianna geschrien, und jetzt wollen sie dich kreuzigen!« Er drückte tröstend meine Hand.
    Blass starrte ich ihn an. Er hatte recht. Er sah die Dinge viel klarer als ich. Gerngroß hatte es geschafft, eine ganze Klein stadt gegen mich aufzuhetzen. Unbekannte verunstalteten mein Konterfei! Das bedeutete, dass bereits ein Hass gegen mich schwelte. Wer würde denn jetzt noch sein Kind zu mir in die Musikschule schicken? Ich versuchte tief durchzuatmen, um nicht den Verstand zu verlieren. »Können wir das abmachen?« Ich versuchte, meine zitternden Hände wieder unter Kontrolle zu bekommen, und wühlte panisch in seinen Manteltaschen. »Hast du irgendwas dabei, womit wir das entfernen können? Eine Schere, ein Messer?
    »Lass das!«, sagte Jürgen unwirsch. »Ich mag das nicht, wenn du in meinen Manteltaschen herumwühlst.«
    Zu meiner grenzenlosen Erleichterung hielt ich plötzlich einen dicken schwarzen Textmarker in der Hand. »Dass du DEN dabeihast!«, murmelte ich. »Es gibt doch einen Gott!« Mit fliegenden Fingern übermalte ich das hässliche Wort »Rabenmutter« und schließlich mein ganzes Gesicht. Es war nur noch eine dunkle Maske. »Und jetzt das andere!« Ich hastete wieder zurück und trat dabei in eine tiefe Pfütze. Eiskaltes Wasser drang mir in die Schuhe, aber ich nahm es kaum wahr. Ich wollte nur meine Schande tilgen, nur noch dieses fürchterliche Wort »Schlampe« übermalen, mein ganzes Gesicht zum Verschwinden

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