Hera Lind
Kobaliks würden die Übergabe in Anwesenheit des Anwalts Ralf Steiner überwachen. Verrückterweise kannten sich Christian und Ralf Steiner sogar! Sie hatten ein paarmal miteinander Golf gespielt, wie Steiner mir zynisch lächelnd mitgeteilt hatte.
»Tja, die Welt ist klein. Man sieht sich im Leben immer zweimal!« Dabei hatte er ziemlich dreckig gelacht: »Der Sauhund hat mich im Golf immer geschlagen, aber in dieser Sache werde ICH gewinnen! Und am Ende wird er kein Geld mehr haben, um Golf zu spielen!«
Inzwischen hatte Christian auch den Bescheid erhalten, dass er sich dem Grundstück bis auf hundert Meter nicht mehr nähern durfte. Festnetz- und Handynummern waren geändert worden, nur zu Grazia und Gloria hatte Christian noch telefonisch Kontakt. Aber auch die Mädchen sollten erst mal aus der »Gefahrenzone«, wie Kobaliks sich ausdrückten.
»Morgen fliegst du schön mit deinen Töchtern nach Hamburg, und ihr macht euch ein tolles Mädels-Wochenende!« Ursula Kobalik griff nach ihrem Champagnerglas, das sie auf Christians Nachttisch neben unserem Hochzeitsfoto abgestellt hatte.
»Prost, meene Kleene. Beim nächsten Mann wird alles anders!«
»Ach, Ursula! Du weißt genau, dass nur Romane so heißen!« Ich wollte keinen Mann mehr. Ich wollte nur mit meinen Töchtern meine Ruhe haben. Solange wir unser Leben weiterführen konnten wie bisher, sollte mir alles recht sein. Und Steiner hatte mir versichert, dass dem so sein würde. Christian würde unseren gewohnten Lebensstandard weiterfinanzieren müssen. Mir war zwar nicht ganz wohl bei dem Gedanken, aber die Würfel waren gefallen.
»Überraschung!« Mit breitem Lächeln zog Ursula drei Musicalkarten aus den Untiefen ihrer Gewänder: »›König der Löwen‹! Dreimal Parkett, dritte Reihe Mitte! Ein Jeschenk von Wolfjank und mir!«
Ich warf einen Blick auf die Karten: »Hundertfünfundzwanzig Euro? Pro Stück!? Ihr habt doch schon die Flüge und das Hotel für uns gebucht!«
»Weil du es uns wert bist.« Ursula breitete die Arme aus, und ich sank an ihre Brust.
»Danke, Ursula, wie großzügig von euch!«
»Dieses Wochenende sollt ihr nur Spaß haben und euch amüsieren. Wir erledigen hier die Drecksarbeit.«
Drecksarbeit. Ja, so konnte man das durchaus nennen. Ich fuhr mir über die Stirn. Bloß nicht nachdenken jetzt. Bloß nicht zweifeln. Er hatte mich betrogen. Immer wieder. Da gab es nichts zu überlegen.
»Mensch, packen macht durstig, wa?!« Ursula ließ sich auf Christians Betthälfte fallen und baumelte vergnügt mit den Beinen. Sie schenkte uns beiden Champagner nach: »Auf dein neues Leben. Mach ma so richtig Tabula rasa!«
Ja, Tabula rasa machen war toll. Es brachte Schwung in mein festgefahrenes Leben. Meine Gefühle fuhren mit mir Achterbahn: Einerseits war da diese Genugtuung, Christian zu zeigen, dass ich nicht die kleine naive Hausfrau war, für die er mich zu halten schien. Dass ich mich mithilfe meiner selbstbewussten Freunde und eines Spitzenanwalts – den ER würde bezahlen müssen! – auf eigene Füße stellte. Dass ich aufgewacht war, Rechte besaß und diese auch knallhart einforderte: das Haus, einen saftigen Unterhalt, den Porsche Cayenne und natürlich das alleinige Sorgerecht für unsere beiden Prinzessinnen. Andererseits tat es schrecklich weh, Christians persönliche Habe aus meinem Leben zu verbannen. Die Sachen rochen noch nach ihm. Ob Anzug, Krawatte oder Hemd – jedes Kleidungsstück war mit Erinnerungen verbunden: Das hier hatte er angehabt, als wir zusammen in New York gewesen waren. Er hatte in der Carnegie Hall gespielt, und ich war mit seiner Kreditkarte über die Fifth Avenue gebummelt. Diese Winterkluft hatte er beim Skifahren in Zürs getragen. Wir waren im Zürserhof, dem exklusiven Fünfsternehotel, eingeladen gewesen, weil Christian dort abends am Kamin vor anspruchsvollem Publikum ein paar Flötenkonzerte gespielt hatte. Flirtkonzerte, wenn ich mich so richtig erinnerte! Er hatte ja seine Augen gar nicht von einer reichen, schmuckbehangenen Rothaarigen lassen können! Mensch, dass ich aber auch immer den Kopf in den Sand gesteckt hatte! Ich warf seine Thermounterwäsche auf den Haufen und rollte seinen Skianzug zusammen. Diese Polohemden und Tennisshorts hatte er in der Karibik angehabt. Er war mit seinen Kollegen auf der MS Deutschland, dem Traumschiff, gereist und hatte mich mitgenommen. Waren das Tränen, die plötzlich so salzig schmeckten? Schnell trank ich mein Glas leer, zumal Ursula sich
Weitere Kostenlose Bücher