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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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eigentlich?«
    »Ick sage nur: Heilewelt.«
    »Uschi, halt die Klappe.«
    »Heilewelt? Ich war Heiligabend nicht früh genug zu Hause, um den Baum aufzustellen, aber das ist doch kein Grund, die Scheidung einzureichen!« Christian, blass und übernächtigt, sich fassungslos die Haare raufend. »Ich meine, ihr seid doch meine Freunde! Helft mir doch!«
    »Ick sage nur … Immekeppel.«
    »Uschi, du sollst die KLAPPE halten!«
    »Ick sage nur: Parkhaus.«
    »Uschi, noch EIN WORT!«
    Christian, langsam begreifend, mit verwirrtem Gesichtsausdruck. Sich suchend nach mir umdrehend. »ANITA! So lass uns doch wenigstens noch mal reden!«
    »Da jipptet nüscht zu reden! Anita hat ihre Entscheidung getroffen!«
    »Aber wo ist sie denn? Und wo sind die Kinder?«
    »In Sicherheit.« Ursula Kobalik, eine undurchschaubare Miene aufsetzend. »Weit weg jedenfalls. Sie können dich nicht hören, sosehr du auch tobst. Du kannst hier alles kurz und klein schlagen, wenn du willst.«
    Ein vorsorglich bestellter Fotograf, sich ungeschickt hinter der Hecke verbergend. Falls man Beweisfotos braucht, um Christian seinen Orchesterstuhl unter dem Hintern wegzuziehen. Die Kobaliks haben da so ihre Mittel.
    »Was soll das überhaupt mit dem Vorwurf der Gewalttätigkeit?« Christian, wütend zu den Kobaliks herumfahrend. »Das Foto ist vom letzten Karneval, und das blaue Auge hat sie sich selbst gemalt!«
    »Jetzt ist es aber genug mit dem privaten Geplänkel!« Wolfgang Kobalik, langsam ungehalten werdend.
    »Machen Sie hinne, Mann, Ihre Stunde ist gleich abgelaufen!« Ralf Steiner, an seinem schwarzen Porsche lehnend, die Hände in den Manteltaschen vergraben.
    »Aber Ralf, wieso siezt du mich denn wieder? Wir sind doch alte Golffreunde!«
    »Von Freundschaft kann überhaupt keine Rede sein!« Ralf Steiner, sein Haifischgesicht ziehend, Dollarzeichen in den Augen: »Bis jetzt hast du mich im Golf geschlagen, aber jetzt schlage ich DICH!«
    »Aber warum nur, Ralf, was habe ich dir getan?«
    »Das steht hier nicht zur Debatte. Tatsache ist, dass deine Frau die Scheidung eingereicht hat und ich sie vertrete.« Ralf Steiner, in den Schnee spuckend.
    Und im Hintergrund Jarek und Olga, auf Wolfgangs Kommando hin Christians Schreibtisch, seine Bildersammlung und seine persönlichen Wertsachen aus der Garage tragend.
    Dann: Herunterfallende, kostbare antike Musikinstrumente, die im Schnee zerbersten. Ein lautes Scheppern, als die dicke Olga aus Versehen auf unser Hochzeitsfoto tritt, sodass das Glas splittert. Ich zuckte zusammen und verzog das Gesicht.
    »Mami, träumst du?« Gloria wedelte mit den Händen vor meinem Gesicht herum. »Los, aussteigen, sonst fährt die Fähre wieder zurück!«
    Dankbar verscheuchte ich die schrecklichen Bilder in meinem Kopf.
    Das Musical-Zelt war hell erleuchtet und warm. Die Menschen strömten erwartungsvoll in den Saal. Beeindruckt ließen wir die Blicke schweifen. Es war wirklich kein einziger Platz mehr frei! Wir schoben uns im Gedränge ganz nach vorn. Kobaliks hatten uns Plätze in der dritten Reihe spendiert. Ich spürte die bewundernden und vielleicht auch ein wenig neidischen Blicke der Menge hinter uns. Eine Männerstimme hinter uns sagte anerkennend das Wort »Drillinge«. Ich drehte mich errötend zu ihm um. Ja, das tat gut. Ich gehörte doch noch nicht zum alten Eisen. Ich war noch nicht unsichtbar.
    Und dann gaben wir uns drei Stunden lang dem afrikanischen Traum hin. Mitreißende Musik hüllte uns ein. Das Bühnenbild und die Kostüme waren eine Sensation. Mit welcher Liebe und Raffinesse die Fantasiewelt ausgestattet worden war! Giraffen staksten majestätisch vorüber, Löwen aalten sich auf ihrem Felsen, Hyänen kreischten, die buntesten Vögel schwirrten über unsere Köpfe hinweg, und erschreckt zuckten wir zusammen, als noch ein paar Dutzend überlebensgroße Tiere plötzlich laut brüllend durch die Gänge eilten!
    Die Geschichte zog mich völlig in ihren Bann: Wie der fiese falsche Löwe den Kleinen täuscht, um selbst an die Macht zu kommen! Wie der kleine Naive ihm Glauben schenkt und sich in die Hyänengruft locken lässt! Wie der Vater zu Tode kommt, als er versucht, seinen Sohn zu retten! Mir liefen die Tränen über die Wangen. Sollte der fiese Hinterhältige etwa gewinnen? Der eigentliche König der Löwen wird in die Verbannung geschickt. Dort leidet er unter schrecklichen Schuldgefühlen, weil er glaubt, seinen Vater auf dem Gewissen zu haben, während der Fiese Land und Löwen in den

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