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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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Stimme. Sie klang verschlafen, wie aus einer anderen Welt. Sofort schossen mir die Tränen in die Augen.
    Aber Jürgen war nicht mehr zu bremsen. Er war unendlich enttäuscht von mir. Ich hatte mein Versprechen gebrochen. Ich hatte doch mit Christian telefoniert. Er glaubte nicht mehr an mich.
    Umso überraschter war ich, als ich hörte, wie Jürgen vollkommen sachlich sagte: »Hier ist Jürgen Immekeppel aus Heilewelt. Herr Meran, ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie meine Frau abholen können.«

ANITA
    »Ihr habt WAS?«
    »Dein Häuschen ein bisschen netter gestaltet.«
    Verwirrt sah ich die Kobaliks an, die bereits am Gartentor gestanden hatten, als das Taxi vor unserem Haus mit den Bremer Stadtmusikanten hielt. Sie hatten die Türen aufgerissen und dem Fahrer mit großzügiger Geste einen Schein hingeworfen. »Stimmt so.«
    Ich war verdutzt ausgestiegen und hatte mein Geld wieder eingesteckt.
    »Wir haben ein paar Dinge umgestellt und ergänzt, um euch den Neuanfang etwas zu erleichtern.« Ursula Kobalik breitete die Arme aus und küsste die Mädchen und mich ab.
    Die Kinder flohen sofort durch die Garage ins Haus.
    »Dein Christian hatte ja gar keinen Geschmack«, brummte Wolfgang Kobalik, während er ganz gentlemanlike unsere Roll köfferchen vom Gartentor zur Haustür beförderte. »Nur bei dir, da hat er Geschmack bewiesen.«
    Das sollte wohl ein Kompliment sein, doch recht freuen konn te ich mich darüber nicht. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Sie waren also ganz selbstverständlich am Wochenende in mei nem Haus gewesen. Sie hatten zwar die Übergabe von Christians persönlichen Gegenständen überwachen sollen, aber …
    »Mädchen, du wirst staunen! Wir waren wirklich nicht kleinlich.«
    Ich schlich wie ein begossener Pudel hinter ihnen her und ließ mir von ihnen meine Haustür aufsperren. Mir schwante Schlimmes.
    »Tritt ein!«, forderte mich Ursula Kobalik großzügig auf und machte eine einladende Geste, als wäre ich hier nur zu Besuch.
    Es roch irgendwie … streng. Außerdem war es auf einmal so düster. Irritiert sah ich mich um. Waren wir aus Versehen in Kobaliks Haus gegangen? Aus der Stereoanlage dröhnte mir Abba entgegen: Chiquitita, tell me what’s wrong …
    »Überraschung!«, rief Onkel Kobalik und machte einige ungeschickte Tanzschritte, die wohl cool wirken sollten. Indem er mich um meine eigene Achse drehte, wollte er mich zum Mittanzen auffordern. Ich kam mir vor wie eine Marionette.
    »Wir haben auch für euch eingekauft«, teilte Ursula mir hochzufrieden mit. Sie machte sich bereits am Getränkekühlschrank zu schaffen. »Schau mal, deine Kommode! Hier unter dem Fenster sieht sie doch gleich viel besser aus.«
    Ich fuhr herum. Nein! Was hatte sie denn dort zu suchen?
    »Und den scheußlich kalten Glastisch haben wir unter einer gemütlichen Häkeldecke verschwinden lassen.«
    Ich versuchte, mir mein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Mit Grausen entdeckte ich ein altes Bärenfell mit Kopf. Daher kam also der muffige Geruch! Ich hatte bei den Kobaliks einmal höflichkeitshalber erwähnt, dass mir dieser Bär Respekt einflöße. Daraufhin hatte mir Wolfgang Kobalik stolz berichtet, dass er das Tier selbst erlegt habe. Das Entsetzen im Gesicht des Bären spiegelte sich jetzt in meinem wider. Immerhin war Kobalik das Letzte, was der Bär in seinem Leben gesehen hatte! Ich suchte an der Fensterbank Halt, als mein Blick in die Küche fiel. Dort hatte Ursula Kobalik bereits bunte Papierservietten zu Blüten gefaltet und in bauchige Steinguttassen gestopft. Sie standen auf einem altdeutschen Eichenholztisch, zusammen mit einer schweren Buttercremetorte. Ich wandte erschüttert den Blick ab. Über der Treppe hing ein ausgestopfter Elchkopf. Die Augen des verendeten Paarhufers sahen mich mitleidig an, so als wollten sie sagen: Tja, Mädchen, wir beide haben den Elchtest nicht bestanden. Wir haben die Kobaliks in unser Leben gelassen.
    Meine Augen weiteten sich mit Grausen. Fehlte nur noch, dass sie meine Bilder abgehängt und ihre furchtbaren Schinken an meine Wände geklatscht hatten: Jagdszenen mit toten Hasen und Hunden, die an deren blutigen Eingeweiden zerrten. Enten, die mit verdrehten Köpfen auf einem Tisch lagen, auf dem zufällig auch noch ein paar Äpfel und Birnen herumkullerten. Wolfgang Kobaliks Lieblingsbild war jedoch eine junge dunkelhaarige Frau in Rot, die dem Betrachter ihren überlangen Nacken zuwandte. Das hing meines Wissens nach in seinem Schlafzimmer. In Ursulas

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