Hera Lind
das unberührt vor mir stand.
Sollte das ein Witz sein?
Mein … Häuschen. Und was war mit dem Unterhalt für die Kinder? Unserem Lebensstandard, wie Ralf Steiner so schön gesagt hatte? Was war mit dem Golf, dem Pferd, dem Ballett? »Und wenn nicht?«, fragte ich mit zitternder Stimme. Hastig nahm ich einen Schluck Champagner. »Wenn er das ›Häuschen‹, wie ihr das nennt, nicht mehr bezahlen kann?«
»Dann koofen wir es dir ab«, sagte Wolfgang Kobalik großzügig. »Dann bist du ein freier Mensch und kannst gehen, wohin du willst.« Er zündete sich seelenruhig seine Zigarre an: »Mach dir da ma keene Sorgen.«
»Wir haben alles im Griff auf dem sinkenden Schiff«, scherzte Uschi aus der Küche.
»Solange du uns zu Freunden hast …«
Ja. Brauchte ich keine Feinde, dämmerte mir langsam. Meine Gedanken überschlugen sich. War es wirklich nur die Langeweile, die sie dazu trieb, sich so in mein Leben einzumischen? Oder verfolgten sie womöglich noch ganz andere Zwecke? Zogen sie finanzielle Vorteile aus der Zusammenarbeit mit Ralf Steiner? Bekamen sie möglicherweise Provision für die Vermittlung einer lukrativen Scheidung? Oder … Mir wurde angst und bange. Handelten sie vielleicht gar nicht in MEINEM Interesse, sondern in ihrem eigenen? War ich ihnen auf den Leim gegangen? Wollten Sie mein Haus?
Ich lauschte auf das Geplärr aus der Stereoanlage. Abba sangen gerade: The winner takes it all .
LOTTA
Ein Geräusch an der Tür ließ mich zusammenzucken. War Christian etwa schon da? Quatsch, das ging ja gar nicht, Jürgen hatte ihn ja gerade erst angerufen. Es war Paul, der verängstigt auf der Schwelle stand, sein grünes Krokodil dicht an sich gepresst. Er weinte.
»Streitet ihr?« Schluchz.
»Aber nein, Paulchen! Wir streiten doch nicht!«
Beide stürzten wir auf unseren Achtjährigen zu und umarmten ihn. Wir knieten vor unserem verschlafenen Paulchen und weinten mit ihm um die Wette.
»Aber ihr habt euch angeschrien! Und sogar gekämpft! Ich hab es ja gesehen!«
»Aber das war doch nur Spaß!« In mein Schluchzen mischte sich ein angestrengtes Lachen. »Nicht wahr, Jürgen?!«
Jürgen riss den Jungen ungestüm an sich. »Der Papi weint nur, weil es der armen Oma so schlecht geht. Die ist so alt und gebrechlich und muss vielleicht sterben!«
Oh Gott, jetzt musste auch noch das arme Lenchen herhalten! Fehlte nur noch, dass Jürgen mich für ihren Zustand verantwortlich machte: Ja, die Mama ist an allem schuld – sie hat im Parkhaus einen Wiener Philharmoniker geküsst, und deshalb muss die Oma jetzt sterben.
Jürgen bedeckte Paulchen mit verzweifelten Küssen. »Aber jetzt lachen wir wieder! Blaukraut bleibt Blaukraut«, redete er auf seinen Sohn ein. »Und Brautkleid bleibt Brautkleid!«
»Ich will heute Nacht bei euch schlafen«, bettelte Paulchen. »Ich hab Angst, dass die Oma stirbt!«
»Die Oma stirbt nicht!«, sagte ich schnell und ging mit Paul chen an der Hand einfach ins Schlafzimmer. »Du schläfst heute Nacht bei mir, und der Papi schläft in deinem Bett.«
Falls er den Sprung ins Hochbett schaffte, konnte er dort für seine Mutter beten. Jetzt war ich wirklich sauer auf ihn. Das war so was von unfair dem Kind gegenüber! Gedankenverloren streichelte ich meinen Sohn und las ihm das Märchen von Aschenputtel vor, bis er endlich eingeschlafen war. Ich sah in sein tränennasses Gesicht. Der Ärmste hatte seine Eltern heftig streiten sehen. Und das war allein meine Schuld. Was war ich nur für eine Rabenmutter? Was hatte ich angerichtet mit meiner kindischen Verliebtheit in Christian? Ich konnte mich noch so sehr mit Aschenputtel identifizieren – für mich war kein Prinz vorgesehen. Andererseits … Holen Sie meine Frau ab, hatte Jürgen zu ihm am Telefon gesagt. Was, wenn er es tatsächlich tat? Ich kannte Christian nicht gut genug, um seine Reaktion einschätzen zu können. Allein die Vorstellung war natürlich vollkommen verrückt. Andererseits … Er hockte einsam in einem Hotel. Er hatte seinen Job verloren, war jedenfalls bis auf Weiteres beurlaubt. Er hatte keine Termine, keine Verpflichtungen. Er brauchte nur ins Auto zu steigen und … Mit Paulchen im Arm lag ich die ganze Nacht wach und lauschte auf das Pochen meines Herzens. Um sechs hörte ich schwere Schritte, die vom Kinderzimmer ins Bad gingen. Dann Klorauschen, die Dusche. Die Zwillinge kamen herein und warfen sich eifersüchtig auf ihren schlafenden Bruder.
»Wieso hat der hier geschlafen und wir nicht?!«
Ich
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