Hera Lind
wurde siedend heiß. »Nein, auf keinen Fall! Ich gehe doch nicht wie so eine halbseidene äh … mit einem Liebhaber ins Hotel!« Ich würde nicht über Los gehen und nicht viertausend Mark einziehen.
»Ihr könnt unser Ferienhaus in Österreich haben«, setzte Sophie ungerührt nach. »Es ist nichts Besonderes, aber zum Kennenlernen und Kuscheln reicht’s.«
»Kuscheln.«
»Am Wolfgangsee. Komm einfach vorbei und hol dir den Schlüssel!«
Mich erfasste eine schmerzliche Sehnsucht. Allein bei der Vorstellung, ganz allein mit Christian in einer idyllischen Holz hütte am Kamin zu sitzen und zu reden … Ich hatte Bilder davon gesehen, die Familie Schmalenberg verbrachte dort immer die Sommerferien. Die Hütte lag direkt am See und verfügte sogar über einen Rudersteg und ein kleines Boot. Und dann nach dem Reden würden wir vielleicht mit einem Glas Rotwein in der Hand …
»Nein, Sophie, wirklich, das ist ganz und gar unmöglich … Oh! Ich glaube, da kommen sie!« Ich wagte nicht, mich umzudrehen. Ich wagte nicht, mich zu bewegen. Ich war wie betäubt vor Panik.
»Lass nicht über dich verhandeln, als wärst du ein Kamel!«, war das Letzte, was Sophie mir einschärfte. »Du entscheidest selbst, wie und mit wem du dein Leben verbringen willst!«
Schwere Schritte im Esszimmer. Kurz darauf klopfte es an meinem Arbeitszimmer. Am ganzen Körper bebend, drückte ich Sophie hastig weg.
»Herein!« So, nun würde Christian mich in meinem Arbeits zimmer sehen, wo ich schaltete und waltete und selbstständig Entscheidungen traf. Ich tat beschäftigt, hielt mir den Hörer an die Backe, als wäre ich gerade in einem wichtigen Telefonat mit einem Kursinteressenten, und blätterte hastig in meinem Terminkalender: »Nein, unser Cellounterricht ist komplett ausgebucht, ja, leider.« Irgendwie hoffte ich, Christian damit zu imponieren. Es war aber nur Jürgen, der plötzlich vor mir stand. Ich legte auf.
»Herr Meran möchte sich noch von dir verabschieden.«
Mein Herz hatte das Gewicht der ganzen Welt. Verabschieden. Aha. Mein Mund war ausgetrocknet. Ich leckte mir über die Lippen. »Dann soll er in mein Büro kommen«, sagte ich so gefasst wie möglich.
»Das geht nicht. Ich habe ihm Hausverbot erteilt.«
»Wie bitte?«
»Ich bin hier der Hausherr, eingetragen ins Grundbuch. Und ich bestimme, wer dieses Haus betritt. Herr Meran steht am Gartentor. Er wollte nicht fahren, ohne dir Auf Wiedersehen zu sagen.«
Die Würfel waren also gefallen.
»Ich habe ihm die Plakate gezeigt«, sagte Jürgen und kratzte sich am Ellbogen. »Da hat er begriffen, was er als Ehrenmann zu tun hat.«
Ach. Die Plakate. Hatte ich es mir doch gedacht! Für was eine solche Imagekampagne doch alles gut ist! In meinen Filzpantoffeln schlurfte ich wie eine uralte Frau durch den Flur nach draußen.
Zu meinem Erstaunen stand Christian umringt von meinen drei Kindern am Auto. Caspar hatte sie auf dem Rückweg von seinem Sprachkurs abgeholt. Die Zwillinge, die sich natürlich an den »bunten Vogel« erinnerten, hielten ihm gerade begeistert ihre Musikinstrumente unter die Nase, und Paulchen zeigte ihm seinen neuen Lerncomputer. Christian ging richtig auf sie ein! Er redete mit ihnen, zeigte ihnen kleine Griffe auf der Flöte und sah sich äußerst interessiert den Lerncomputer an. Selbst als ich bleich und mitgenommen im Türrahmen stand, ließ er sich nicht davon ablenken. Dieser Anblick war einfach überwältigend. So kann es also auch sein!, ging es mir durch den Kopf.
»Mami, der Christian soll hierbleiben!« Luna hüpfte mir entgegen. »Der kann doch mit uns mittagessen. Und danach soll er uns was auf der Flöte vorspielen!«
»Wir können doch alle zusammen was spielen!«, bettelte Stella. »Wir können schon C-Dur und G-Dur mit Fis!«
»Ja, und ich will ihm meinen Bastelkeller zeigen«, rief Paulchen begeistert. »Also, was ist? Bleibst du zum Essen?«
Unsere Kinder waren es gewohnt, dass laufend Leute kamen, die probten und Musik machten. Sie hielten Christian für einen meiner Kollegen, der auftaucht und frischen Wind in die Bude bringt. Aber so war es nicht. Es war ganz anders. Caspar sah mich fragend an und zuckte nur die Achseln.
Ich sah Jürgen hinter der Gardine stehen. Er kratzte sich am Ellbogen, wie immer, wenn er ratlos und verlegen war. Die Geister, die er rief! Es musste ein unerträglicher Anblick für ihn sein, die Kinder und Christian so fröhlich und vertraut beieinanderstehen zu sehen.
Ich fröstelte, als ich
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