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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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für uns beide etwas völlig anderes bedeutete.
    »Kommen Sie doch bitte weiter«, sagte Jürgen höflich und zeigte auf den immer noch gedeckten Frühstückstisch.
    Ich hielt mich an den Rosen fest und stopfte sie mit zitternden Fingern in irgendeine Vase, die ich mitten auf den Tisch stellte. »Setz dich, Christian!«, sagte ich, als wäre er ein Freund von nebenan. »Du hast sicher Hunger.« Dabei schlugen mir die Zähne aufeinander vor lauter Schüttelfrost.
    »Och, gar nicht mal so sehr«, sagte Christian liebenswürdig. »A bisserl ungewöhnlich ist die Situation schon.«
    Er ließ sich am Kopfende nieder, und wir saßen stumm um den ganzen Tisch herum. Dabei starrten wir auf die schmutzigen Teller der Kinder und die fleckigen Lätzchen. Vergessene Pausenbrotboxen rundeten das Stillleben ab.
    Schließlich griff Caspar nach dem Brotkorb und reichte ihn unserem Überraschungsgast. »Die Brötchen habe ich gerade frisch vom Bäcker mitgebracht.«
    Christian bediente sich und bestrich eines mit Butter.
    »Nutella?«
    »Ach nein, für mich gibt es nichts Besseres als eine Buttersemmel.« Christian lächelte höflich in die Runde.
    »Ach.«
    Ich griff ebenfalls nach einem Brötchen und tat irgendwas damit. Zumindest hatte ich das vor. Vielleicht gab ich auch Marmelade in den Kaffee oder Zucker auf die Leberwurst.
    »Wie ist denn das Wetter so in Wien?«, erkundigte sich Jürgen.
    »Als ich losgefahren bin, war es mitten in der Nacht«, sagte Christian. »So kurz vor zwölf hatten Sie ja angerufen, aber bis ich mir einen Wagen geliehen hatte, war es zwei Uhr morgens. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: kalt und grausig.«
    »Also so wie hier«, sagte ich zweideutig. Unsere Blicke trafen sich, und ich brannte lichterloh. Oh Gott! Er hatte es getan! Er hatte es wirklich getan! Er saß an unserem Familientisch in Heilewelt und sah noch viel besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ganz cool und lässig, als würde er täglich bei uns zum Frühstück erscheinen. Er musste acht Stunden durchgefahren sein.
    »Ich hab im Hotel ausgecheckt, weil ich ja nicht wusste, ob und wann ich wiederkomme.« Er lächelte mich verschmitzt an. »Und mit wem.«
    Caspar fragte: »Möchten Sie Zucker?«, und Christian lehnte dankend ab.
    Jürgen und ich schwiegen. Nur das Klappern der Kaffeelöffel in unseren Tassen war zu hören. Hätte Christian jetzt gesagt: »Danke, ich bin schon süß genug«, wäre mir schlagartig klar geworden, dass ich mich geirrt hatte. Aber er sagte es nicht.
    »So wohnt ihr also«, meinte Christian stattdessen, nachdem er sich vorsichtig in unserem Esszimmer umgesehen hatte. »Ich habe immer versucht, mir das vorzustellen.«
    Ich betrachtete unser Chaos mit seinen Augen: praktische Ikea-Möbel, viele bunte Sofakissen, überall Spielsachen und Kuscheltiere, ein Dreirad, Socken, zwei Hochstühle …
    »Entschuldige, aber ich habe noch nicht aufgeräumt«, stammelte ich verwirrt. »Ich bin nicht davon ausgegangen, dass du wirklich …«
    »Wenn man mich so nett einlädt, komme ich sofort«, sagte Christian und warf Jürgen einen langen Blick zu. »Ich war zwar a bisserl überrascht, aber durchaus nicht unangenehm.«
    »Herr Meran, ich glaube, wir müssen uns mal unterhalten«, sagte Jürgen und schob seine Kaffeetasse von sich weg. »So von Mann zu Mann.«
    »Gern.« Christian stand gelassen auf und legte seine Serviette neben den Teller. »Danke für das Frühstück«, wandte er sich an Caspar. Mir strich er kurz liebevoll über die Wange. »Bis gleich.«
    »Es tut mir sehr leid, dass ich Ihre Frau angerufen habe«, sagte Jürgen, zerknirscht. »Ich bereue es zutiefst.«
    »Tja, das war vielleicht nicht so geschickt.« Christian zeigte in Richtung Hausflur und gab Jürgen zu verstehen, dass er es vorzog, die Unterhaltung unter vier Augen fortzusetzen. »Was halten Sie von einem Spaziergang?«
    Nichts!, wollte ich schreien. Ausgerechnet jetzt, wo es spannend wird! Das könnt ihr doch nicht machen!
    Aber zu meiner großen Verwunderung schickten sich die beiden Herren tatsächlich an, einen Spaziergang »unter Män nern« zu machen. Vermutlich würden sie denselben Weg durch die Schrebergärten nehmen, den Jürgen und ich zu nehmen pflegten. Vielleicht zeigte er Christian auch die neuen Plakate, die inzwischen unsere kleine Stadt schmückten und auf denen unsere ganze Familie zu sehen war: Wir sichern Ihren Kindern eine Zukunft.
    Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Frau Ehrenreich harkte Blätter. Die beiden

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