Herbert, James - Die Brut.pdf
wußte, sie waren noch nicht sicher. Und ihm fehlte etwas. Es fühlte sich im Freien ungeschützt.
Sie zogen weiter, immer nur des Nachts, immer im dichtgedrängten Rudel, streiften durch das Grasland und verbargen sich an dunklen Orten, wenn die Sonne aufging. Sie erreichten die Waldesmitte, und Es fand den Platz, den Es zur Ruhe brauchte, an dem Es sich sicher fühlte, wo Es seinen unförmigen Körper in ständiger Dunkelheit verbergen konnte.
Es hatte sein perfektes Nest entdeckt.
Es war alt geworden, hatte die zweifache Lebensspanne der Wesen erreicht, von denen es abstammte. Es hatte sich gepaart und eine Brut nach seinem äußeren Abbild gezeugt. Von dem Wurf überlebten nicht viele, und die wenigen waren schwach und nicht immer in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Trotzdem beherrschten sie die anderen Tiere des Rudels, die dunkelfelligen, und die beiden Stämme blieben zusammen. Die Dunklen holten das Futter und brachten es ins Nest zu ihrem Leittier und seinen natürlichen Nachfolgern.
Es verließ nie mehr das schützende Nest, denn sein mißgestalteter Körper war zu schwer, zu aufgedunsen. Es herrschte noch über alle, doch Es spürte schon die wachsende Spannung. Seine Artgenossen wurden immer ungeduldiger, die schwarzen wie die der eigenen Art hungerten nach etwas, das sie noch nicht begriffen. Obwohl sie inzwischen sehr zahlreich geworden waren, hatten sie mehrere Jahre im Verborgenen gelebt, und ihre angeborene Furcht aus den vergangenen Tagen band sie an den Wald, wo sie sich vor dem menschlichen Auge verbargen.
Doch ihre große Anzahl schien ihnen einen Wagemut zu verleihen, den sie früher nicht besessen hatten. Der Hunger wurde mit jedem Tag stärker und war auch durch die erfolgreiche Jagd auf andere Waldtiere nie zu stillen.
Das Wesen in der Ecke kannte diesen Hunger, denn Es hatte ihn an das Rudel weitergegeben. Es hungerte nach etwas, das Es vor langer Zeit einmal gekostet hatte.
Seine zwei Köpfe wogten in der Dunkelheit hin und her, und Geifer tropfte aus den beiden Mäulern, als es sich, nach so vielen Jahren, an den Geschmack von Menschenfleisch erinnerte.
6. Kapitel
»Können wir nicht im Wagen bleiben, Alan? Es ist so kalt draußen.«
Die Frau hüllte sich enger in ihren Mantel und kuschelte sich tiefer in den Beifahrersitz.
»Komm, Babs, so kalt ist es gar nicht. Ich werde es dir gleich schön warm machen.« Der Mann beugte sich zu ihr, legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich.
»Es ist mir unheimlich.«
»Wir sind zu dicht an der Straße, Babs. Hier kommen zu viele Autos vorbei.«
»Dann fahr doch ein Stück tiefer in den Wald hinein.«
Alan versuchte, den aufsteigenden Ärger zu unterdrücken. »Das geht nicht, Liebes. Der Wagen könnte im Schlamm steckenbleiben. Es ist unmöglich, im Scheinwerferlicht die Bodenverhältnisse einzuschätzen. Wir könnten an einer Baumwurzel hängenbleiben oder so was...«
Sie seufzte resignierend. Warum noch protestieren?
Alan bekam ja doch am Ende seinen Willen. Und sie wollte nachgeben, denn es machte ihr Spaß, wie er es immer wieder schaffte.
Alan Martyn war Immobilienmakler und hatte seine Büros gleich im benachbarten Loughton-Distrikt. Babs - im Büro Mrs. Newell - war seine Sekretärin. Mit seinen neunundzwanzig Jahren begann er gerade seinen Aufstieg, hatte seine Zukunft fest im Visier. Mit ihren Fünfunddreißig befand sie sich auf dem absteigenden Ast und hatte zu wenige Orgasmen erlebt. Von fünfzehn Ehejahren und der Erziehung zweier Söhne, mittlerweile Teenager, war die Lust in ihr fast ausgelöscht worden. Ihr Lebensstil hatte seinen Zenit erreicht, und die gelegentlichen Ab-stürze, die Schicksalsschläge, die das Leben mit sich brachte, waren verhältnismäßig glimpflich gewesen.
Sie müsste eigentlich zufrieden sein, denn sie hatte einen zwar langweiligen, aber gutmütigen Ehemann, und die Jungen, wenn auch etwas ungestüm und lautstark, entwickelten sich zu prächtigen Burschen. Ihr Haus war vielleicht etwas klein, jedoch sehr nett, und sie besaßen einen Farbfernseher. Sogar der Hund gehorchte aufs Wort.
Manchmal hätte sie am liebsten laut geschrien, weil alles um sie herum so nett war.
Reg, ihr Ehemann, war grundsolide, das Salz der Erde, ein guter Mensch. Er schlurfte nicht in Pantoffeln durchs Haus, rauchte auch nicht Pfeife - nein, so schlimm war er nicht! Doch drehte er sich seine Zigaretten selbst, um Geld zu sparen, und hielt Kaninchen im Hintergarten. Mittwochs und samstags nahm er
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