Herbert, James - Die Brut.pdf
bot.
Das Loch war groß und breit, ein Schacht mit sich nach unten verjüngenden Seiten. Auf seinem Grund tummelte sich eine ganze Anzahl zappelnder schwarzfelliger Leiber. Der Priester erkannte die Tiere nicht sofort, denn der Schacht war tief und dunkel, und die Sonne stand immer noch hinter den Bäumen, doch als er schärfer hinsah, konnte er die Körperformen ausmachen. Doch selbst jetzt war er noch nicht sicher, um was für Tiere es sich hier handelte.
Eine dieser Kreaturen schob sich aus der wimmelnden Masse. Im Maul hing ein großer Fleischfetzen. Langsam kroch sie auf die Seitenwand zu. Ehe ein anderes Tier ihren Platz einnahm, konnte der Vikar einen Blick in den aufgebrochenen Sarg werfen. Was er darin sah - weiße zerbissene Knochen, von denen alles Fleisch heruntergefressen war - ließ ihn auf die Knie sinken. Die Galle kam ihm hoch, und er übergab sich auf die wimmelnde Horde.
Er wollte davonstürzen, mochte diesen schrecklichen Anblick nicht länger ertragen, doch sein Magen revoltierte immer stärker. Er schwankte bedenklich, seine Finger gruben sich haltsuchend in die weiche Erde. Er hatte diese Bestien inzwischen erkannt - sie waren die Harpyen seines schlechten Gewissens, waren gekommen, ihn zu züchtigen und zu quälen, um ihm zu sagen, dass der Tod nichts Gottgegebenes, nichts Heiliges an sich hatte, dass der Körper auch danach noch geschändet und entweiht werden konnte.
Reverend Matthews hatte die anderen Ratten auf dem Friedhof nicht bemerkt, die im Gras, hinter Bäumen, unter Grabsteinen lauerten. Regungslos hatten sie beobachtet, wie er den Kirchhof betrat, hatten mit kalten Augen sein Vordringen verfolgt und waren ihm mit flach an die Erde gepressten Körpern nachgekrochen. Der Priester wusste nicht, dass sie ihn umzingelt hatten, dass sie mit vor Gier bebenden Hinterläufen näherschlichen. Er brauchte lange Sekunden, bis er begriff, was geschah, als sich die erste Bestie in sein Fußgelenk verbiss.
Als er endlich schrie und auf das Tier eindrosch, war es zu spät. Seine Artgenossen sprangen ihn an, landeten hart auf seinem Körper. Klauen und Zähne schnappten nach einem Halt, ihre Körper warfen ihn nach vorn, und er stürzte kopfüber in den Schacht, wo sich die anderen freudig über das warme Fleisch und das daraus hervor-spritzende Blut hermachten.
Seine Panik, sein Grauen ließen ihn seine Schmerzen vergessen, und in einer gewaltigen Kraftanstrengung richtete er sich auf und versuchte, die steile Seitenwand emporzuklettern. Doch lange schwarze Körper hingen an ihm und zerrten ihn wieder in die Tiefe...
Die Sonne schob sich über die Baumwipfel und tauchte das Gotteshaus und seinen geweihten Grund in ihr frisches, lebenspendendes Licht. Doch kein Vogelgezwitscher begrüßte die wärmenden Strahlen, und als einziges Geräusch war ein leises, schwächer werdendes Schaben irgendwo hinter dem alten Gemäuer zu hören. Wenig später war auch das verstummt.
7. Kapitel
Pender fühlte sich müde. Den ganzen Morgen war er mit Denison, dem Forstoberinspektor, durch Epping Forest gefahren. Sie hatten mehrere Bauernhöfe, Wohnhäuser und offizielle Stellen besucht, nach Spuren der Plagegeister gefahndet und eine Unzahl Leute befragt. Die meisten hatten vor längerer oder kürzerer Zeit Probleme mit Schädlingen gehabt, doch war keiner dieser Fälle akut gewesen, und jeder hatte das Ungeziefer identifizieren können.
Am Abend zuvor war es spät geworden, und am Morgen hatte der Rattenfänger früh aufstehen müssen. Als er an das Resultat der abendlichen Sitzung im Conservation Center dachte, knirschte er vor Frustration mit den Zähnen. Er hatte bis jetzt schon mehrmals feststellen können, dass Stephen Howard inzwischen mehr als Geschäfts-mann denn als Wissenschaftler empfand und dachte, war sich aber nicht darüber klar gewesen, wie weit dieser Wandel schon fortgeschritten war. Der Direktor von Ratkill hatte geduldig beide Seiten zu Wort kommen lassen und versucht, die teilweise recht hitzige Diskussion zwischen Pender und Whitney-Evans auf sachlicher Ebene zu halten. Gelegentlich hatte er zu speziellen Ausführungen beider Parteien genickt, kaum einmal eine Frage oder eine eigene Meinung beigesteuert und meistens mit unbewegter Miene zugehört. Pender wurde schnell klar, dass der Direktor auf eine Reaktion von Thornton, dem Abteilungsleiter im Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung wartete, ehe er seinen eigenen Standpunkt in dieser Sache preisgab. Diese
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