Herbst - Ausklang (German Edition)
Donna, die schweigend mitten in der Bekleidungsabteilung stand und auf die staubigen Schaufensterpuppen starrte. Jack Baxter hatte ihr erst unlängst über all die Klischees vorgejammert, die er aus den postapokalyptischen Büchern kannte, die er früher so gern gelesen hatte. »Ich will nicht so enden, dass ich aussehe wie ein Idiot«, hatte er zu ihr gesagt. »Ich will anständige, gemütliche Kleidung tragen, keine handgestrickten Pullover und Jacken aus zusammengenähten Tierhäuten.«
Donna hatte sich schon eine Weile nicht gerührt. Cooper fragte sich, was los sein mochte.
»Alles in Ordnung?«, fragte er und erschreckte sie damit. Ihr stockte der Atem. Dann drehte sie sich ihm zu und lächelte kurz.
»Es geht mir gut.«
»Bist du sicher?«
»Klar.«
»Was hast du dir angesehen?«
Sie deutete auf zwei weibliche Schaufensterpuppen unmittelbar vor ihr. Bei einer war die Perücke so verrutscht, dass sie teilweise das Gesicht verdeckte und den halben Kopf unvorteilhaft kahl ließ. Bei der anderen Puppe erstreckte sich ein Bart aus Spinnweben vom Kinn zur Brust, und in den Tausenden Pailletten des Partykleids, das sie trug, spiegelte sich das durch die Fenster einfallende Licht der Nachmittagssonne. Über einer starren Schulter hing eine Handtasche, an den Füßen prangten zwei – Donnas Ansicht nach – wunderschöne, aber unpraktische Stöckelschuhe.
»Ich liebe diese Schuhe«, sagte sie.
»Dann nimm sie dir.«
»Soll das ein Scherz sein? Ich meine, ich weiß, dass ich sie mir nehmen könnte, aber wozu? Wann soll ich sie schon anziehen? Wenn ich ins Dorf gehe? Oder ums Haus? Sie sind nicht besonders praktisch dafür, durch Felder zu stapfen.«
»Tut mir leid«, entschuldige sich Cooper rasch, der sich unerwartet verlegen und unsensibel vorkam.
»Ist nicht deine Schuld.« Donna seufzte und blickte enttäuscht auf die Jeans und die schlammverschmierten Stiefel hinab, die sie trug. Sie steckte die Hände in die Taschen der Winterjacke, die sie tagtäglich angezogen hatte, so lange sie zurückdenken konnte. »Mir ging nur gerade durch den Kopf, ob wir uns je wieder so anziehen können werden.«
»Also, ich bestimmt nicht«, scherzte Cooper und bereute es sofort, als er den Ausdruck in ihrem Gesicht sah.
»Ich kann nicht glauben, dass wir je so ausgesehen haben«, sagte Donna. »Früher habe ich mich gern herausgeputzt, um mit den Mädels um die Häuser zu ziehen. Sich dafür vorzubereiten, war der halbe Spaß an der Sache. In der Regel waren wir schon beschwipst, bevor wir überhaupt zur Tür raus sind.«
»Verdammte Studentinnen«, murmelte Cooper, aber sie stieg nicht darauf ein. Stattdessen dachte sie über ihre eigenen Worte nach und stellte sich vor, wie die anderen auf Cormansey aus sich herausgingen. Würden sie das je tun? Selbst wenn sie es täten, sich alle in die einzige Kneipe der Insel pferchten und eine Möglichkeit fänden, Musik zu spielen und die alten Zeiten wiederaufleben zu lassen – sie wusste, es würde nicht dasselbe sein. Es wäre wie Schauspielerei und würde unweigerlich dazu führen, dass sie sich alle leerer denn je zuvor fühlten. Eine solche Nacht würde nur betonen, dass all das für immer verschwunden war. Es war an der Zeit, sich damit abzufinden, dass dieser Teil ihres Lebens vorbei war.
Ein paar Türen weiter die Straße hinunter befand sich Michael allein in einem anderen Laden und suchte Babyausstattung anhand einer Liste zusammen, die Emma mithilfe einiger der Frauen auf der Insel erstellt hatte. Sie hatte noch nicht einmal die Hälfte der Schwangerschaft hinter sich, aber Michael wusste nicht, ob und wann sich eine weitere solche Gelegenheit bieten würde. Er hatte das Gefühl gehabt, keinen der anderen Inselbewohner bitten zu können, diese Dinge für ihn zu beschaffen – einige Menschen hatten eigene Kinder verloren, andere gingen davon aus, dass sie nie welche haben würden. Das war der Hauptgrund dafür gewesen, warum er selbst mit zurückkommen wollte. Nun stand er mutterseelenallein in dem Laden für Babybedarf, umklammerte die handgeschriebene Liste und wünschte, er könnte auch nur einen Bruchteil der freudigen Erregung fühlen, die er sich für einen werdenden Vater immer vorgestellt hatte.
Es war seltsam, fand er. Von allen stillen, verwaisten Orten, an denen er seit dem Tod der Welt im vergangenen September gewesen war, fühlte sich dieser am stillsten und leersten an. Unheimlich. Er war daran gewöhnt, allein zu sein – das waren sie alle –,
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