Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
Vom Netzwerk:
denken. Ich setze immer wieder dazu an, aber dann sehe ich irgendetwas, und ...«
    Der Satz verhallte unvollendet. Er klang verloren und hilflos. Michael blickte in den Innenspiegel und beobachtete, wie die erschöpften Augen seines Reisegefährten unablässig hin und her zuckten. Er sah aus wie ein verängstigter kleiner Junge.
    »Na ja, wir müssen uns trotzdem bald für etwas entscheiden«, meinte Emma. »Wir brauchen eine Art Plan, findet ihr nicht?«
    Michael zuckte mit den Schultern.
    »Ich dachte, wir hätten einen«, erwiderte er. »Wir fahren einfach weiter, bis wir auf eine sichere Zuflucht stoßen, dann halten wir an.«
    »Aber was bedeutet ›sicher‹?«, fragte sie. »Ist es überhaupt irgendwo sicher?«
    »Ich weiß es nicht«, seufzte er. »Man könnte dem entgegenhalten, dass wir eigentlich überall sicher wären. Da sind nur die wandelnden Leichen, auf die wir achten müssen, und die reagieren nicht auf uns.«
    »Aber was ist mit Krankheiten?«, fuhr Emma fort. »Sie beginnen allmählich, ernsthaft zu verwesen.«
    »Ich weiß.«
    »Was machen wir also?«
    Abermals zuckte er mit den Schultern.
    »Dagegen können wir ohnehin nicht viel tun, schließlich können wir die Keime nicht sehen. Wir werden einfach auf Glück hoffen müssen.«
    »Soll das heißen, wir könnten eigentlich überall anhalten?«
    Michael überlegte kurz.
    »Ja.«
    »Und warum haben wir das noch nicht gemacht? Warum fahren wir immer weiter?«
    »Weil ...«, setzte er unwirsch an.
    »Weil wir zu große Angst haben«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Weil es nirgends sicher ist, nicht wahr? Es ist überall menschenleer, also könnten wir uns überall niederlassen, aber das spielt gar keine Rolle. Die Wahrheit ist, ich habe zu viel Angst davor, aus diesem verdammten Van zu steigen, und euch beiden geht es genauso.«
    Mit ihrem plötzlichen und unerwarteten Geständnis, dem sowohl Michael als auch Carl insgeheim beipflichten mussten, endete die Unterhaltung.
    15
    Drei Minuten nach vier.
    Der zähe, schleppende Nachmittag näherte sich dem Ende. Carl war klar, dass ihnen nur noch wenige Stunden blieben, bevor das Licht zu schwinden beginnen würde. Als Michael, der mittlerweile auf dem freien Platz hinten im Van unruhig schlief, sich von Carl ablösen ließ, hatte er geschätzt, dass sie in etwa einer Stunde die Westküste erreichen sollten. Inzwischen war es zweieinhalb Stunden her, dass sie die Plätze getauscht hatten, und vor ihnen lag immer noch nur eine endlose Straße, auf der sie ziellos reisten.
    Es war ein kühler, aber strahlender Nachmittag. Die Helligkeit der Sonne strafte die niedrigen Temperaturen Lügen. Sie schien in zunehmend schrägem Winkel von einem Himmel, der sich überwiegend blau präsentierte, wenngleich mit einigen zerfransten, grauen und weißen Wolken gesprenkelt. Auf der Straße glänzte Feuchtigkeit, die von einem Regenschauer zurückgeblieben war, den sie vor einigen Minuten passiert hatten.
    Emma saß immer noch auf dem Beifahrersitz, immer noch stocksteif. Und immer noch ließ sie den Blick suchend über die Welt rings um sie wandern, immer noch in der Hoffnung, irgendwo eine sichere Zuflucht für sie zu entdecken.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Carl plötzlich und ließ sie zusammenzucken.
    »Was?«, murmelte sie. Emma befand sich in Gedanken meilenweit entfernt. Sie hatte ihn zwar sprechen gehört, aber nicht verstanden, was er gesagt hatte.
    »Ich habe gefragt, ob alles in Ordnung ist«, wiederholte er.
    »Oh«, machte sie. »Mir geht‘s gut.«
    »Schläft Michael?«, erkundigte Carl sich und deutete über die Schulter auf den Rücksitz. Emma spähte nach hinten und zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung.«
    Bei der Erwähnung seines Namens rührte sich Michael.
    »Was gibt‘s?«, brummte er mit vor Erschöpfung leicht lallender Stimme.
    Niemand befand es der Mühe wert, ihm zu antworten. Also schloss er wieder die Augen und versuchte zu schlafen.
    Am Straßenrand stand ein handgemaltes Schild. Der Wind hatte es verdreht, sodass es nur teilweise sichtbar war. Als sie daran vorbeifuhren, gelang es Carl, die Wörter ›Café‹, ›Abzweigung‹ und ›2 Meilen‹ zu erkennen. Er hatte den ganzen Tag, eigentlich die ganze Woche kaum Appetit verspürt, doch nun fühlte er sich beim Gedanken an Essen plötzlich hungrig. Zwar hatten sie Proviant im Van, aber in ihrer Eile, die Stadt zu verlassen, war er irgendwo zwischen den verschiedenen Tüten und Kartons vergraben geblieben.
    »Will einer von euch

Weitere Kostenlose Bücher