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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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auf ihn warteten. Nachdem er das Mädchen beiseite geschafft hatte, ging er zurück hinaus.
    »Alles in Ordnung«, rief er, als er durch die Tür trat. Er musste regelrecht brüllen, um sich über den Wind Gehör zu verschaffen. »Es war nur eine Leiche. Ich ...«
    Jäh verstummte er. Hinter sich hörte er aus dem Inneren des Gebäudes die Geräusche einer Bewegung.
    »Was ist denn?«, fragte Emma besorgt, als Michael halb stolpernd zu ihr und Carl zurückrannte.
    Atemlos antwortete er.
    »Da drin«, keuchte er. »Da drin ist etwas ...«
    Die drei standen schweigend da, als eine einsame Gestalt in den dunklen Schatten des Eingangs auftauchte. Als sie gegen den leblosen Körper auf dem Boden stieß, den Michael dorthin geschleift hatte, änderte sie linkisch die Richtung und schlurfte auf den Parkplatz heraus.
    »Glaubst du, sie ist ...«, setzte Carl an.
    »Tot?«, beendete Michael den Satz für ihn.
    »Es könnte auch eine Überlebende sein«, murmelte Emma hoffnungsvoll, wenngleich sie herzlich wenig Hoffnung dafür empfand, dass dem so sein könnte.
    Aus den steifen, unkoordinierten Bewegungen schloss Michael sofort, dass es sich bei der langsam ins Licht stolpernden Gestalt um ein weiteres wiederauferstandenes Opfer der Katastrophe handelte. Als die Gestalt sich näherte, stellte Michael fest, dass es eine Frau Ende fünfzig, vielleicht Anfang sechzig war, die eine weite Kellnerinnenuniform in knalligen Grün- und Gelbtönen trug. Die Reste ihres Make-ups vom Dienstagmorgen waren über das runzlige Gesicht verschmiert.
    »Können Sie mich hören?«, fragte Emma. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass es sinnlos war, dennoch verspürte sie den Drang zu versuchen, der bemitleidenswerten Gestalt eine Antwort zu entlocken. »Können wir irgendetwas tun, um ...«
    Sie ließ den Satz unvollendet verhallen. Stille kehrte ein, durchbrochen nur vom böigen Wind und dem unablässigen Knirschen des Schotters unter den unkoordinierten Füßen der Gestalt, die sich Schritt um qualvollen Schritt auf die drei zubewegte. Dann stolperte der Leichnam über einen Begrenzungsstein und fiel in Carls Richtung, der unwillkürlich zurücksprang. Emma beugte sich hinab und half der Frau wieder auf die unsteten Beine. Langsam ging die Kreatur zwischen ihnen hindurch, ohne ihre Gegenwart wahrzunehmen, und setzte den Weg fort, bis sie die Straße erreichte. Die Fahrbahn verlief leicht nach rechts, der Kurs der Frau hingegen blieb relativ gerade, bis sie den Asphalt überquert hatte und sich in einem borstigen Gebüsch auf der gegenüberliegenden Straßenseite verhedderte.
    Michael und Emma beobachteten die beklagenswerte Kreatur noch eine Weile. Michael malte sich unwillkürlich aus, was ihr alles geschehen konnte. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie sie durch die dunkle Nacht wankte, durch Wind und Regen; plötzlich erfüllte ihn eine überraschende Traurigkeit. Eine arme, wehrlose alte Frau – vielleicht eine Mutter und Großmutter – die letzten Dienstag wie an jedem anderen Tag zur Arbeit aufgebrochen war; nun schien sie dazu verdammt, auf ewig ziel- und schutzlos umherzuwandern. In der Stadt war es ihm rasch gelungen, eine Schutzmauer gegen solche Gedanken und Gefühle aufzubauen, doch nun, in dieser ländlichen, vergleichsweise freundlichen Umgebung, ertappte er sich dabei, dass ihm das Los der unschuldigen Opfer der Katastrophe zutiefst nahe ging.
    Carl war verschwunden. Emma sah, dass er im Café umherging, und bedeutete Michael, ihr in das Gebäude zu folgen.
    Ein kurzer Gang führte zu einem großen, düsteren und stickigen Raum, den sie vorsichtig betraten. Um zahlreiche Tische saßen mehrere Leichen auf gemütlichen Stühlen zusammengesunken. Michael konnte ein morbides Lächeln nicht unterdrücken, als sie an den Leichen eines älteren Paares vorbeigingen. Die beiden hatten einander gegenübergesessen, als sie starben. Alice Jones – so der Name auf der Kreditkarte auf dem Tisch – lag mit baumelndem Kopf auf den Stuhl zurückgelehnt da. Ihre trockenen Augen starrten blicklos an die Decke. Ihren Begleiter hatte die Schwerkraft etwas anders erfasst. Er war nach vorne gesackt und mit dem Gesicht in den vertrockneten, schimmligen Überresten von fast eine Woche altem Rührei mit Würstchen und Speck gelandet.
    Aus dem Küchenbereich ertönte ein Geräusch, und Carl tauchte mit einem großen Kunststofftablett auf.
    »Ich habe etwas zu essen aufgetrieben«, verkündete er, als er sich durch das Gewirr der Leichen einen Weg zu

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