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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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der Welt mit eigenen Augen sahen, wirkte es zunehmend wie eine unlösbare Aufgabe. Die ganze Welt schien ihnen zu gehören, sie brauchten sich nur zu bedienen, doch sie konnten einfach nichts entdecken, was sie davon haben wollten.
    Emma saß steif auf dem Sitz neben Michael, starrte ungläubig durch die Fenster und schaute unablässig von einer Seite zur anderen, zu aufgewühlt, um sich zurückzulehnen und zu entspannen. Zuvor war es logisch erschienen anzunehmen, dass nur die hilflose Bevölkerung von der unerklärlichen Tragödie getroffen wurde. Die Realität offenbarte, dass auch das Land selbst nahezu bis zur Unkenntlichkeit verwüstet und in Mitleidenschaft gezogen worden war. Unzählige Gebäude – mitunter ganze Straßenzüge – waren von unbekämpften Bränden, die immer noch glommen, dem Erdboden gleichgemacht worden. So gut wie jedes Fahrzeug, das unterwegs gewesen war, als die Katastrophe eingesetzt hatte, war außer Kontrolle geraten und hatte einen Unfall verursacht. Emma wähnte sich glücklich, in der relativen Sicherheit ihrer Wohnung gewesen zu sein, als der Albtraum begonnen hatte. Insgeheim fragte sie sich, wie viele Menschen, die bei einem Auto- oder sonstigen Unfall gestorben waren, vielleicht überlebt hätten, wenn ihnen das Schicksal keine so lausigen Karten ausgeteilt hätte. Wie viele Menschen, die gegen die Krankheit, den Virus oder was immer sonst immun gewesen waren, hatten lediglich durch ein Missgeschick oder bloßes Pech den Tod gefunden? Auf einem Feld neben der Straße stach ihr etwas ins Auge. Die Wrackteile eines Kleinflugzeugs verteilten sich über das sumpfige, unebene Gelände an einem Ende eines langen, tiefen Grabens. Rings um den Rumpf lagen verbogene Metallteile verstreut, die sich mit den blutigen Überresten der Passagiere des Flugzeugs vermengten. Was wäre geschehen, wenn diese Menschen den Flug überlebt hätten? Einerseits war es sinnlos, über derlei Dinge nachzudenken, andererseits schien es auf sonderbare Weise eine geradezu therapeutische Wirkung zu haben. Jedenfalls half es, ihren Verstand zu beschäftigen.
    Beunruhigend schnell stellten die drei fest, dass sie gegen den Tod und die Zerstörung rings um sie abstumpften. Doch obwohl der Anblick zahlloser blutiger, entstellter Leichen und die Auswirkungen hunderter verheerender Unfälle inzwischen regelrecht banal schienen, erblickte jeder von ihnen von Zeit zu Zeit etwas so Schreckliches und Groteskes, dass es ihren Verstand beinah überstieg. So sehr Carl den Blick abwenden wollte, er war wie gebannt von einer morbiden, kranken Neugier, als sie an einem langen, roten und weißen Bus vorbeifuhren. Ungläubig starrte Carl auf die Leichen von etwa dreißig auf ihren Sitzen gefangenen Kindern. Obwohl die Gurte sie alle zurückhielten, sah er, dass mindestens sieben der armen Geschöpfe sich zu bewegen versuchten. Ihre runzligen Arme fuchtelten um die ausdruckslosen, bleichen Gesichter. Beim Anblick der Kinder musste Carl unweigerlich an Gemma denken, das so vollkommene kleine Mädchen, das er zurückgelassen hatte. Die Erkenntnis, dass er Gemma nie wieder sehen oder festhalten würde, löste einen überwältigenden Schmerz aus. Es war schwierig genug gewesen, sich im Gemeindezentrum mit seinem Verlust abzufinden zu versuchen, aber nun, so seltsam es schien, gestaltete jede Meile, die sie sich weiter entfernten, die Qualen unerträglicher. Sarah und Gemma waren seit fast einer Woche tot, dennoch fühlte er sich immer noch verantwortlich für sie. Er hatte sie einfach im Bett liegen gelassen. Carl fühlte sich, als hätte er sie im Stich gelassen.
    Die Unterhaltungen seit dem Antritt der Reise waren rar gesät und gezwungen gewesen, und Emma empfand das Schweigen allmählich als Ohren betäubend. Sie konnte sehen, dass Michael sich beim Fahren angestrengt konzentrieren musste, zumal sich die Straßen mit Schutt übersät präsentierten, und Carl schien tief in Gedanken versunken, aber sie musste reden. Die bedrückende Stille im Van ließ ihr viel zu viel Freiraum zum Nachdenken.
    »Hat sich einer von euch beiden schon Gedanken darüber gemacht, wo wir hinkönnten?«, fragte sie.
    Zunächst antwortete keiner der beiden Männer. Insgeheim hatten alle drei mit Unterbrechungen darüber nachgegrübelt, doch sie waren so vielen bizarren Ablenkungen begegnet, dass es sich als unmöglich erwiesen hatte, zu einer Entscheidung zu gelangen.
    »Ich hab‘s versucht«, räumte Carl schließlich ein. »Aber ich kann nicht klar

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