Herbst - Beginn
als eine Stunde später waren Michael, Carl und Emma bereit, die Penn Farm zu verlassen. Eingehüllt in so viele Kleiderschichten, wie sie finden konnten, standen die drei neben dem Van beisammen und schauderten, als ihnen der kalte, böige Herbstwind in die ungeschützten Gesichter blies.
Zweifel und Verunsicherung.
Ihre Emotionen hatten begonnen, ein beinah zyklisches Muster anzunehmen. Sie verspürten abwechselnd tiefste Verzweiflung und Angst, dann wieder plötzliche, kurzlebige Hoffnung. Die letzte Woche hatten sie damit verbracht, sich von einer Krise in die nächste zu schleppen. Seit sie die Stadt verlassen hatten, waren solche albtraumhaften Situationen von kurzen Erfolgsmomenten durchbrochen worden, auch von echten Errungenschaften wie dem Finden des Hauses am Vortag und dem Erkennen dessen wahren Potenzials an diesem Morgen. Wie Michael bereits auf eigene emotionale Kosten festgestellt hatte, wurde es durch das vorübergehende Hochgefühl, das solche Erfolge vermittelten, nur umso schwieriger, danach die Realität zu akzeptieren. Niemand wagte, darüber nachzudenken, was als Nächstes geschehen mochte. Niemand traute sich, an die kommende Nacht, den nächsten Tag oder den übernächsten zu denken. So unsicher jedermanns Zukunft von jeher gewesen war, nun schien selbst der Ausblick auf den nächsten Atemzug von Unsicherheit erfüllt.
Fast fünf Minuten standen sie schon schweigend da, bis es Michael endlich gelang, sich aus seiner Trance zu lösen und in den Wagen zu steigen. Ihnen allen gingen in den müden Köpfen hunderte unbeantwortbare Fragen herum, die verhinderten, dass sie etwas hervorbrachten. Sobald jemandem eine Äußerung oder Frage einfiel, lenkte der nächste trostlose, schmerzliche Gedanke davon ab.
Carl und Emma folgten Michaels Beispiel und setzten sich ins Auto. Michael drehte den Zündschlüssel und ließ den Motor an. Das Geräusch des kraftvollen Triebwerks hallte durch die Stille der verwaisten Landschaft.
»Irgendeine Idee, wohin wir fahren?«, fragte Emma vom Rücksitz. Sie verlagerte das Gewicht, um den kostbaren Schlüssel des Bauernhauses in die Tasche ihrer eng anliegenden Jeans zu stecken.
»Nein«, antwortete Michael mit bewundernswerter Aufrichtigkeit. »Du?«
»Nein«, gestand Emma.
»Na, prima«, meinte Carl sarkastisch dazu und beugte sich auf seiner Seite aus dem Fenster.
Michael war zu dem Schluss gelangt, dass sie, unabhängig davon, was sie tun würden, durch Warten mit Sicherheit nichts erreichen würden. Er legte den Gang ein und lenkte den Wagen auf den langen Feldweg, der zur Straße führte.
»Ich bin sicher, dass ich mit meinen Eltern öfter mal hier in der Gegend auf Urlaub gewesen bin, als ich noch klein war«, meinte er fünf Minuten und fast eine Meile später.
»Also kennst du dich hier aus?«, fragte Emma hoffnungsvoll.
Michael schüttelte den Kopf und lenkte den Van auf glatten Asphalt.
»Nein. Allerdings erinnere ich mich zumindest daran, dass es hier haufenweise kleine Ortschaften und Dörfer gibt, die alle über solche Straßen wie die hier miteinander verbunden sind. Wenn wir immer weiter in eine Richtung fahren, finden wir mit Sicherheit irgendwo etwas.«
Damit drückte er das Gaspedal weiter durch und raste über die gewundene Fahrbahn.
»Ich hoffe nur, wir erinnern uns später an den Rückweg«, murmelte Emma.
»Aber klar doch«, gab Michael zuversichtlich zurück. »Ich fahre ja immer nur in eine Richtung. Wenn es nicht unbedingt sein muss, biegen wir nie ab. Irgendwann stoßen wir auf ein Dorf, besorgen uns, was wir brauchen, drehen um und fahren zurück nach Hause.«
Nach Hause. Eine seltsame Wortwahl, dachte Carl, denn für ihn fühlte sich der Bauernhof keineswegs wie ein Zuhause an. Sein Zuhause befand sich über hundert Meilen entfernt. Sein Zuhause war sein bescheidenes Einfamilienhaus mit drei Zimmern in Northwich. Sein Zuhause war dort, wo er Sarah und Gemma zurückgelassen hatte. Sein Zuhause war definitiv nicht ein leer stehendes Bauernhaus mitten in der verfluchten Wildnis.
Carl schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen das kalte Glas der Fensterscheibe. Er versuchte, sich auf den Klang des Motors zu konzentrieren. Ein paar Sekunden lang half ihm das, an nichts anderes zu denken.
Michael behielt Recht.
Fünfzehn Minuten, nachdem sie die Straße erreicht hatten, gelangten sie zu einer kleinen Ortschaft namens Pennmyre. Als sie sich näherten, erkannten sie, dass es sich weniger um ein Dorf, als vielmehr um eine kurze
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